Crash: Thriller (German Edition)
starrten sie interessiert, aber verständnislos an. Dann stieg Michael aus, und die Kinder schienen nervös zu werden. Sie machten einen Schritt zurück, und etwas Wasser schwappte aus ihrem Waschbottich. Ihre Augen waren auf die Pistole geheftet, die in Michaels Hosenbund steckte. Tamara ging zu ihm und zog ihm das T-Shirt aus der Hose, sodass es die Waffe verdeckte. Dann drehte sie sich wieder zu den Kindern um. »Ihr wisst doch, was ein Telefon ist, nicht wahr? Haben eure Eltern ein Telefon ?«
Aber die Kinder starrten weiterhin Michael an. Irgendetwas an ihm faszinierte sie. Er drehte sich zur Seite, wandte die Augen ab, aber nach ein paar Sekunden ging er zu ihnen und kniete sich in den Sand. Dann schürzte er die Lippen und machte einen Klingelton. Tamara war sprachlos – es klang exakt wie das Klingeln eines altmodischen Telefons mit Drehscheibe. Dann presste Michael die Lippen aufeinander und ließ ein Trällern ertönen, das sich genauso wie das Klingeln eines Handys anhörte.
Endlich verstanden die Kinder. Das Mädchen nickte und lachte. Der Junge rief: »Hanha!« und zeigte auf das blockähnliche Betongebäude.
Tamara kam sich dumm vor. Das hätte sie sich von vornherein denken können. Obwohl das Betongebäude hässlich war, war es deutlich schöner als die Metallhütten und gehörte deshalb vermutlich der reichsten Familie am Platz, den einzigen Einwohnern, die sich ein Telefon leisten konnten. »Vielen Dank«, sagte sie zu den Kindern. Dann drehte sie sich zu Michael um. »Komm, wir machen jetzt einen Anruf.«
Sie gingen auf dem kürzesten Weg direkt zur Rückseite des Gebäudes, wobei sie an dem Motorrad vorbeikamen, das neben der Hintertür geparkt war. Es war eine Ural, ein stabiles, solide gebautes russisches Motorrad mit einem Beiwagen. Tamara musterte es kurz im Vorbeigehen, aber Michael blieb stehen und starrte es wie gebannt an. Sein Gesicht war derart verzückt, dass Tamara lächeln musste. »Magst du Motorräder?«, fragte sie.
Er zeigte auf die Ural. »Das sieht so ähnlich aus wie das Motorrad, das Monique Reynolds mich hat fahren lassen.«
»Monique Reynolds? Sie ist deine Adoptivmutter, stimmt’s?«
Er nickte. »Wir waren am Strand. Sie hat mich im Beiwagen fahren lassen. Und sie hat mir gezeigt, wie man den Motor anlässt und die Gänge einlegt.«
Tamara wartete ein paar Sekunden und ließ den Teenager das Motorrad inspizieren. Dann sagte sie: »Komm mit«, und Michael folgte ihr widerstrebend.
Sie gingen um das Gebäude herum zur Eingangstür, die schwarz gestrichen war. Tamara klopfte, und als die Tür geöffnet wurde, kam sie sich noch dümmer vor als eben. Der Mann im Eingang trug eine grüne Uniform mit roten Schulterstücken, und hinter ihm war ein dunkler, trostloser Raum mit einer grün-roten Flagge von Turkmenistan an der Wand. Mist, dachte sie, das ist kein Privathaus. Das ist die lokale Polizeistation. Und gemessen an ihren Erfahrungen mit Polizisten in der Dritten Welt konnte sie sich des Verdachts nicht erwehren, dass dieser Beamte eher hinderlich als hilfreich sein würde.
Der Mann sagte nichts. Er kniff lediglich die Augen zusammen. Sein Gesicht war kantig, dunkelhäutig und misstrauisch.
»Wir sind Amerikaner «, sagte Tamara, wobei sie auf Michael und sich zeigte. »Und wir haben keine Ahnung, wo wir sind. Wir würden gern wissen, ob wir Ihr Telefon benutzen dürfen.«
Der Beamte blieb still. Er steckte den Kopf aus der Tür und schaute hinter sie, wahrscheinlich, weil er sich fragte, wie zum Teufel sie hierhergekommen waren. Dann entdeckte er den Land Cruiser, der ein Stück weit rechts von der Polizeistation abgestellt war.
»Ja, das ist unser Wagen«, sagte Tamara in ihrer Rolle als glücklose Touristin. »Und wir haben fast kein Benzin mehr. Wir müssen wirklich unbedingt telefonieren .«
Der Mann runzelte die Stirn und streckte die Hand aus. »Pass!«, bellte er.
Tamara machte ein klägliches Gesicht und schaute ihn mit einem Hundeblick an. »Und das ist das nächste Problem! Jemand hat unsere Pässe und unser ganzes Geld gestohlen! Wir haben absolut nichts mehr!«
»Pass!«, bellte er wieder, diesmal lauter. Es war offenbar das einzige ausländische Wort, das er kannte. Als sie nicht reagierte, beugte er sich vor und rief etwas auf Turkmenisch, wobei er ihre Wange mit Spucke bespritzte.
Sie biss die Zähne zusammen und musterte den Kerl. In dem Holster, das an seinem Gürtel hing, steckte eine halbautomatische Pistole. Eine russische Makarow, wie
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