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Crashkurs

Crashkurs

Titel: Crashkurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Müller
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steht als heute. Ich kann also entweder alle dreißig Aktien des Dax einzeln kaufen oder einfach den Dax-Future. Das hat den gleichen Effekt, ist aber wesentlich billiger. Der Future-Käufer muss nämlich nur einen kleinen Teil des Gesamtbetrags als Sicherheit hinterlegen, während der Aktienkäufer den Preis seiner Aktien voll bezahlen muss.
    Die Kurse des Dax, der sich aus den Kursen der einzelnen Aktien errechnet, und die Kurse des Dax-Futures bewegen sich immer im Gleichlauf, da viele Marktteilnehmer darauf spezialisiert sind, kleinste Abweichungen zu handeln und daran Geld zu verdienen. Man nennt das Arbitrage.
    Mittlerweile hat der Future-Handel eine solche Bedeutung erlangt, dass die einzelnen Aktien in starkem Maße den Bewegungen des Futures folgen und nicht umgekehrt. Man kann also sagen: »Der Schwanz wedelt mit dem Hund.« Wenn nun jemand gezielt die Kurse nach oben ziehen will, macht es wenig Sinn, für viel Geld alle Dax-Aktien einzeln zu kaufen. Stattdessen kauft er größere Mengen Terminkontrakte (»Futures«) und kann so mit wenig hinterlegtem Sicherheitsgeld unglaubliche Summen an den Aktienmärkten bewegen.
    Genau das erleben wir immer wieder, besonders im amerikanischen Aktienmarkt. Wann immer bei einem Einbruch der Kurse wichtige Punkte im Kursverlauf erreicht werden – man spricht von »Chartmarken« –, erscheinen plötzlich die »helfenden Hände«, kaufen massiv US-Futures und retten damit die Märkte vor weiteren Verkaufswellen.
    Das Fed unterstützt diese Aktionen mit eigenen Maßnahmen, die einerseits öffentlichkeitswirksam sind, andererseits den stützenden Banken das Geld für ihre Aktionen zur Verfügung stellen. Jedes Mal wenn die Märkte in Schwierigkeiten kommen, pumpt das Fed Geld ins System. Besonders dramatisch zeigte sich dieses Zusammenspiel der »Finanzkontrolleure« am 16. und 17. August 2007. In den sechs Tagen zuvor war der Dow Jones um 1100 Punkte gefallen. Noch am Abend des 16. August sah es nach einem dramatischen Ausverkauf und einem bevorstehenden Crash aus. Alle, aber auch wirklich alle Ampeln standen auf Dunkelrot. Die Nachrichten von der sich entwickelnden Immobilienkrise wurden zunehmend dramatischer, und die Investoren verhielten sich, wie es in einem freien Markt in einer solchen Situation normal ist: Sie verkauften ihre Aktien und verringerten ihr Risiko. Der Dow Jones durchbrach eine äußerst wichtige charttechnische Unterstützung bei 12 750 Punkten und fiel im Tief auf 12 519 Zähler.
    Doch plötzlich, aus heiterem Himmel, kamen eine Stunde vor Handelsschluss Käufer in den Markt. Nicht ein paar Schnäppchenjäger – es wäre ja auch Wahnsinn, in solch ein fallendes Messer zu greifen –, sondern massivste Käufe, wie ich sie in meinen fünfzehn Jahren an der Börse selten erlebt habe. Der Dow Jones schoss wie vom Satan getrieben innerhalb einer Stunde um 365 Punkte oder 2,9 Prozent nach oben und schloss bei 12 859 Punkten wieder über der magischen Marke. Noch deutlicher wurde es im Future-Handel: Der wichtige S&P-Future, der fast rund um die Uhr berechnet wird, stieg in diesen dramatischen letzten Handelsstunden des 16. August in der Spitze sogar um 4,2 Prozent. Ich telefonierte noch spät in der Nacht mit meinen Kollegen, und wir wunderten uns, wo diese völlig ungewöhnliche Marktbewegung herkam.
    Die Märkte in Asien und Europa reagierten auch am Tag danach noch wie gewohnt und verkauften weiter. Man wunderte sich zwar über die merkwürdige letzte Handelsstunde in den USA, tat dies allerdings als überzogene »technische Reaktion« ab. Der japanische Aktienindex verlor am Morgen des 17. August 5,4 Prozent und verbuchte den größten Tagesverlust seit sieben Jahren. Niemand in Asien oder Europa ahnte, was die »Finanzelite« in den USA offenbar bereits am Vorabend verabredet hatte. Der große Knall kam gegen 14 Uhr mitteleuropäischer Zeit kurz vor Eröffnung des US-Aktienmarktes. Wir kamen am Frankfurter Parkett kaum mit der Abarbeitung der Verkaufsaufträge nach, als plötzlich aus dem Nichts eine Kaufwelle durch die Märkte raste. Der Erste, der die Meldung auf dem Nachrichten-Ticker sah, schrie quer durch den Handelssaal: »ZINSSENKUNG! DIE AMIS SENKEN UM 50 BASISPUNKTE!« Der nächste Schrei war: »KAUFEN! WO GIBT ES NOCH WARE???«
    Das Plunge Protection Team hatte ganze Arbeit geleistet! Über die Abläufe hinter den Kulissen kann nur spekuliert werden. Bereits am Vortag gab es Gerüchte, Fed-Chef Ben Bernanke hätte wichtige Vertreter des

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