Crashkurs
gar nicht nach Asien zu springen, denken Sie nur an die unterschiedliche wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung in West- und Ostdeutschland in gerade einmal vierzig Jahren unterschiedlicher politischer Bedingungen. (Und wenn Sie jetzt wieder an Nepal denken, sind Sie ein Wessi …!)
Diese unterschiedlichen Entwicklungsstufen führen dazu, dass ein Staat bereits weit in der Phase der Sättigung und des Müßiggangs angelangt ist, während ein anderer gerade seine Fesseln abwirft und die Masse seiner bis dahin um ihre Existenz kämpfenden Menschen in die Epoche des absoluten Leistungswillens eintritt. Wenn diese beiden Völker dann aufeinandertreffen, geschieht wenig Überraschendes: Die aufstrebenden Goten haben das müßige Römische Reich überrannt.
Innerhalb Europas ist es immer wieder zu solchen Machtverschiebungen durch Bevölkerungsgruppen gekommen, die durch unbedingten Leistungswillen die Macht übernommen haben. Denken Sie nur an die fast schon sprichwörtliche Leistungsbereitschaft der Preußen. Oder eben daran, wie die leistungsbereiten Amerikaner dem träge gewordenen Europa die Macht entrissen haben.
Gegenwärtig befinden wir uns wieder am Übergang einer solchen Epoche. Auf der anderen Seite des Globus erhebt sich ein Volk, das über Jahrhunderte durch die politischen Entwicklungen zurückgehalten wurde. Hier entsteht eine Großmacht, deren Ausgangsposition besser ist als die aller Großmächte, die die Erde bislang beherrscht haben. China ist flächenmäßig etwa genauso groß wie die USA oder Europa, wenn man es bis an den Ural misst. Dazu verfügt die Volksrepublik mit 1,3 Milliarden Menschen über eine größere Bevölkerung als die USA und Europa zusammen (etwa eine Milliarde Menschen). Auch wenn man es schon fast nicht mehr hören kann, darf diese Zahl bei keiner Erörterung dieses Themas fehlen.
1,3 Milliarden Menschen, die unseren Wohlstand vor Augen haben! 1,3 Milliarden Menschen, die sich ungefähr in der mentalen Phase der Amerikaner während des Goldrauschs befinden! Menschen, die den absoluten Leistungswillen haben und gerne bereit sind, zwölf oder auch fünfzehn Stunden an sieben Tagen die Woche zu arbeiten, um aus den Existenzproblemen herauszukommen.
Bill Gates hat sich dahingehend geäußert, dass die Forschungsabteilung Microsoft Asien die produktivste und innovativste aller weltweiten Microsoft-Standorte sei. Die Begründung ist einfach: Die dortigen Angestellten arbeiten freiwillig bis zu achtzehn Stunden pro Tag ohne Wochenendpause. Häufig lassen sie noch ihren Urlaub verfallen. Sie haben sich den Traum erfüllt, für Microsoft zu arbeiten, und geben nun im wahrsten Sinne des Wortes alles, um diesen Traum weiterzuentwickeln, ihren Eltern zur Ehre und zur Versorgung zu gereichen und sich zur Elite ihres Landes zählen zu dürfen.
1,3 Milliarden Menschen, die einige Jahrzehnte von der Phase des Müßiggangs entfernt sind, in der wir Europäer und die Amerikaner uns befinden … Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir dieses Volk nicht werden stoppen können. Die chinesischen Menschen werden uns wirtschaftlich und damit auch im politischen Einfluss genauso überrennen wie einst die Goten das alte Rom oder wie die Amerikaner an den Europäern vorbeigezogen sind. Mit einem gravierenden Unterschied: Wegen der globalisierten Welt und der internationalen Vernetzung durch Telekommunikation, Internet, Satellit und Hochleistungsfrachtverkehr wird diese Entwicklung in Höchstgeschwindigkeit geschehen. Geschah diese Entwicklung früher in hundert oder zweihundert Jahren, geschieht sie heute in wenigen Jahrzehnten.
Begonnen hat dieser Aufbruch einer neuen Weltmacht mit der Öffnung Chinas in den achtziger Jahren. Damals erwachte der Drache aus dem Tiefschlaf. Die Geschwindigkeit der chinesischen Entwicklung ist schlicht atemberaubend: Noch 1981 lebte mehr als die Hälfte der chinesischen Bevölkerung unter dem Existenzminimum. 2001 waren es gerade noch 8 Prozent. Das BIP liegt dennoch nur bei 5300 US-Dollar pro Einwohner. In Deutschland sind es etwa 34 000 US-Dollar und in den USA 45 000 US-Dollar. Nehmen Sie die Zahlen bitte wie immer bei offiziellen Daten nur als grobe Anhaltspunkte. Aber auch dann zeigt sich daran, dass China noch sehr viel Potential hat, bevor es unseren Sättigungsgrad erreicht und in unsere Phase des Müßiggangs mit einschwenkt.
Dennoch hat es China geschafft, uns in wesentlichen Bereichen bereits zu überholen. Dabei geht es längst nicht nur um
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