CREEKERS - Thriller (German Edition)
und das war schon eine ganze Weile her. Dürfte hässlicher denn je sein , beschloss er. Natter war ein Inzüchtiger – ein Creeker – doch trotz seiner körperlichen Entstellungen sprach der Mann mit großer Eloquenz und schien einen scharfen Verstand zu besitzen. Ob Natters Auto jetzt hier stand? War er möglicherweise in diesem Moment im Sallee’s? Darüber hätte Phil bereits früher nachdenken sollen, doch er hatte es versäumt. Es war nun beinahe zwei – Sperrstunde. Die Autos auf dem Parkplatz waren nur noch spärlich gesät. Jesses , dachte Phil, ich hätte Mullins zumindest fragen sollen, ob Natter noch den gleichen Wagen fährt …
Weitere Einheimische stolperten heraus, krakeelten und fuhren davon. »Mann, dieses Hinterzimmer is’ schon was, oder?«, kommentierte ein erschreckend großer Redneck und spuckte einen Klumpen Tabaksaft auf die Erde.
Sein Begleiter, sogar noch höher aufgeschossen, stieß einen lauten Südstaaten-Schlachtruf aus. »Mann, diese Hühner haben mich völlig fertiggemacht«, rief er. »Hier geh’n wir jetzt jede Nacht hin!«
Bitte nicht , dachte Phil. Das waren nur ein paar Penner, keine Drogendealer. Was hatten sie da gesagt? Etwas über ein Hinterzimmer? Ich erinnere mich nicht an ein Hinterzimmer , dachte er. Sie müssen den Laden ausgebaut haben.
Dann …
Los geht’s .
Phil wurde schlagartig wach und presste das kleine Fernglas an seine Augen. Inzwischen standen nur noch wenige Fahrzeuge auf dem Parkplatz: ein paar alte Pick-ups (von denen einer geradezu antik wirkte) und ein vollständig restaurierter 63er Chrysler Imperial mit unheimlicher, tiefroter Lackierung.
Dann tauchte eine Gestalt vor dem Haupteingang des Gebäudes auf. Das ist er , erkannte Phil sofort. Eine Verwechslung war ausgeschlossen. So ein Gesicht vergisst man nicht . Ihm lief ein leichter Schauer über den Rücken, als er das Fernglas scharf stellte. Cody Natter trat auf den Parkplatz hinaus, unmenschlich groß und dünn. Er trug Jeans, ein besticktes, durchgeknöpftes Hemd und eine schwarze Sportjacke. Der Scheißkerl muss ein Vermögen für maßgeschneiderte Kleidung ausgeben , ging Phil durch den Kopf. Solche Beinlängen bekam man nicht so einfach bei Wal-Mart. Graue Strähnen glänzten wie Frost in den schulterlangen schwarzen Haaren. Natürlich, alle Creeker hatten schwarze Haare. Und rote Augen, Iriden so rot wie arterielles Blut. Dieses spezielle Paar Augen leuchtete auf, als Phil durch sein Fernglas spähte. Ein zweiter Schauder kroch seinen Rücken hinauf wie eine Parade von Spinnen, als er seinen ersten richtigen Blick auf Cody Natters Erscheinung warf …
Es sah zerfurcht aus, verdreht. Wächserne Haut spannte sich über einem Kopf, der einem knochigen Kürbis glich. Phil hätte schwören können, dass er die Venen unter der dünnen Hautschicht ausmachen konnte.
Lippen, so dünn, dass sie beinahe verschwanden, formten einen Mund wie eine klaffende Messerwunde. Eine Reihe schiefer Zähne ragte aus dem eingesunkenen Unterkiefer. Ein gewaltiges Ohrläppchen hing einige Zentimeter tiefer als das andere. Phil kam es wie eine aus der Schale gekratzte Muschel vor. Mehrere tiefe Falten zogen sich über die zu breite Stirn, so tief, als wären sie eingemeißelt. Die vier Finger an jeder von Cody Natters Händen schließlich wiesen jeweils einen zusätzlichen Knöchel auf.
Himmel, was für ein Wrack , dachte Phil.
Zwei hochnäsige Blondinen stöckelten vorbei. Miniröcke, Tattoos und übertrieben viel Schminke. Beide schienen Natter unterwürfig eine gute Nacht zu wünschen, doch der gab keine Antwort. Stattdessen blieb er wie in unruhiger Erwartung weiter vor dem Eingang stehen.
Auf wen wartet er?
Ein weiterer männlicher Creeker kam heraus und hinkte zu einem der Pick-ups. Seine Stirn war dermaßen deformiert, dass sein Kopf aussah wie eine mutierte Wassermelone. Als Nächstes …
Phil zoomte näher.
Drei Frauen verließen das Gebäude und schlurften mit gesenkten Köpfen an Natter vorbei. Sie waren ähnlich gekleidet wie die Blondinen: kurze, aufreizende Röcke und glitzernde Blusen, die so eng über ihre Brüsten saßen, dass es Phil fast schon wunderte, dass die Kristallknöpfe nicht absprangen. Sie alle hatten geglättetes, rabenschwarzes Haar, das wie Öl glänzte, sowie rote Augen …
Creeker , erkannte Phil.
Die Erkenntnis verfestigte sich, als Phil weitere, wenn auch leichte, verräterische Anzeichen wahrnahm. Verformte Köpfe, ungleiche Gliedmaßen, seltsam hagere Lippen.
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