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Creepers - Der Fluch der Hexe

Creepers - Der Fluch der Hexe

Titel: Creepers - Der Fluch der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Dahme
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Strom von Efeu, der sich aus unserem Garten ergoss.
    »Das muss die Hexe sein!«, rief Margaret. »Was will sie uns nur damit sagen?« Margaret klang wütend. In ihrer Stimme lag wieder dieser Hauch von Frustration, den ich bereits gestern gehört hatte.
    In dem Moment sah ich sie – eine Frau in Schwarz. Ihr Umhang blähte sich sanft im Wind. Sie stand neben einer Weide, nahe bei Prudence’ Grab. Sie hatte eine Hand an die Rinde des Baums gelegt und beobachtete gelassen, wie der Efeu den Grabstein überwucherte.
    »Margaret«, zischte ich. »Siehst du die Hexe? Sie ist da drüben!« Ich zeigte auf die Weide.
    »Ich sehe sie nicht, Courtney«, antwortete Margaret, den Tränen nahe. »Aber ich sehe den Efeu. Warum macht sie das bloß? Sie wird noch alles ruinieren!«
    Ich sah erst zur Hexe und dann zu Mr. Geyer, die beide nur wenige hundert Meter voneinander entfernt standen. Der Efeu ist in ihrem Blut . Zumindest hatte es so in Christians Tagebuch gestanden. Wie ist es möglich, dass die beiden die Hexe nicht sehen? Mir fiel auf, dass sich Mr. Geyer Prudence’ Grab zugewandt hatte und trotzdem in die Gesichter der Menschen blickte, von denen er sich Hilfe zur Rettung des Friedhofs erhoffte. Die Leute selbst, einschließlich Mom und Dad, hatten der Hexe den Rücken gekehrt.
    »Was sollen wir jetzt tun, Margaret?« Der Efeu machte mir Angst, aber ein Teil von mir war der Meinung, dass wir das Ganze mal aus der Nähe betrachten sollten. Vielleicht würde Margaret die Hexe dann sehen.
    Aber wir kamen nicht dazu. Ich hatte den Gedanken kaum ausgesprochen, da erschütterte ein schwerer Donnerschlag den Boden unter unseren Füßen; ich erschauderte von dem eiskalten, harten Regen, der mir innerhalb weniger Sekunden in die Haut stach und meine Kleidung durchweichte.
    »Oh, nein!«, schrie Margaret und rannte zu unseren Plakaten. Aber es gab keinerlei Möglichkeit, sie zu schützen.
    Ich hielt Ausschau nach Mr. Geyer und sah, wie er die Leute mit wedelnden Armen vor sich her trieb, als wären sie seineverwirrte Herde. Der Typ im Alice-Cooper-T-Shirt schien das Ganze nicht so richtig mitzubekommen, denn er sah sich immer noch um, als die Menge ihn verschlang. Mom steckte ihren Notizblock unter die Bluse. Betrübt warf sie einen Seitenblick auf eine Weide, die den Regen regelrecht abzuschütteln schien, während ihr der Wind in die Zweige griff. Dad steckte hinter einigen älteren Damen fest, die mit ihren Taschenschirmen kämpften, die sie aus den Handtaschen zauberten. Alle stürmten zu ihren Autos.
    »Courtney! Margaret! Schnappt euch eure Poster, und rennt zum Haus!«, rief Dad, der die Meute plötzlich anführte. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich von einer Sekunde zur nächsten, wie immer, wenn er besorgt war.
    Die Hexe! Kann sie womöglich sogar den Regen beherrschen?
    Während ich mein aufgeweichtes Poster in den Händen hielt, sah ich blinzelnd hinüber zu Prudence’ Grab. Ich konnte die Hexe nirgends entdecken, und der Efeu, der sich um Prudence’ Grabstein gerankt hatte, lag nun in einem qualmenden welken Haufen am Boden, wie ein Strauß Blumen, der zu lange in der Sonne gelegen hatte.

    Dreißig Minuten später saßen wir an unserem Küchentisch und hatten Handtücher über die Schultern gehängt. Mom schenkte uns heiße Schokolade ein, worüber sich niemand lustig machte, obwohl es August war, denn wir hatten alle eine Gänsehaut und zitterten. Dad schaltete die Klimaanlage aus, während er sich mit dem Handtuch den Kopf abrubbelte. Mr. Geyer, dessen plusteriger Kragen vom Regen ganz platt geworden war, starrte abwesend in seine Tasse. Seine Brillengläser waren beschlagen.
    »Mädchen, ihr seht aus, als hättet ihr ein Gespenst gesehen. Macht ihr euch Sorgen wegen des Gewitters?«, fragte Mom, während sie sich zu uns setzte und ihre Hände um die warme Tasse legte. Ihr nasser Pony klebte ihr an der Stirn. Als weder ich noch Margaret eine Antwort gaben, setzte sie hinzu: »Sommergewitter sind einfach unberechenbar. Aber ich glaube nicht, dass das Wetter alles ruiniert hat, einmal abgesehen von euren schönen Postern.« Sie warf einen mitleidvollen Blick auf die aufgequollenen Plakate.
    Ich schüttelte den Kopf. Dann sah ich Margaret an, deren leuchtend grüne Augen in ihrem blassen Gesicht besonders groß erschienen. Sie starrte den Efeu vor dem Fenster an, der im peitschenden Regen zitterte.
    Aber Mr. Geyer sprach es aus. »Jen und Tom, seid ihr gläubige Menschen? Glaubt ihr an ein Leben nach dem Tod?«

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