Crescendo
besser?«
»Personalverschwendung. Sämtliche Überfälle haben im Umkreis von dreihundert Metern vom hiesigen Postamt stattgefunden.«
Seine Hand, die ein schmuddeliges Taschentuch hielt, deutete auf einen Plan der Siedlung, der ausgebreitet auf der Motorhaube seines Wagens lag. Zweidimensional war das einleuchtend, aber Blite war erst einmal in der Siedlung gewesen. Vielleicht hatte er die Gehwege und Treppenaufgänge vergessen, das Labyrinth, das dieses Areal durchzog. Sie würden nicht alles abdecken können.
Nightingale unterdrückte einen Nieser und trank einen Schluck Wasser aus einer der Flaschen, die sie vorsorglich mitgebracht hatte. Zwei weitere hatte sie tiefgefroren in einem Rucksack verstaut, wo sie die Hitze des Tages hoffentlich möglichst lange einigermaßen kühl überstehen würden. Blite hustete heftig, spuckte Schleim auf den rissigen Teerbelag und legte sich eine Hand auf die Rippen. Nightingale schüttelte innerlich den Kopf. Blite war instinktlos und als Einsatzleiter untauglich.
Sie studierte den Plan, mit ihren begrenzten Kenntnissen der Siedlung. Falls die Täter aus der Nähe des Postamtes flüchteten, hatten sie mindestens vier Fluchtwege zur Auswahl, von denen einer nahe an der heruntergekommenen Wohnung vorbeiführte, in der sie den ganzen Tag mit Richard Rike, dem Donut-Monster, eingesperrt sein würde. Selbst mit ihrer kurzen Berufserfahrung schätzte sie, dass sie noch vier weitere Kollegen brauchen würden. Sie öffnete den Mund, um ebenfalls Bedenken anzumelden.
»Bei allem Respekt, es wird äußerst schwer werden, sämtliche Fluchtmöglichkeiten zu sichern. Die Leute an der Peripherie sind zu weit weg, wenn ein Überfall passiert.«
Blite blickte sie erstaunt an, und nur seine Knollennase und die tränenden Augen milderten seine Verachtung.
»Sergeant, wenn ich Ihre Meinung hören will, melde ich mich. So, jetzt keinen Ton mehr und alle auf ihre Posten, bevor wir noch die ganze Siedlung aufwecken.«
Rike zog Nightingale am Ärmel, und sie folgte ihm.
»Das war mutig«, sagte er mit einem Seitenblick zu ihr, »a ber es bringt nichts, das hätte ich Ihnen gleich sagen können. Ich hab schon so oft mit ihm zusammengearbeitet, dass ich mir gar nicht mehr die Mühe mache. Uns passiert schon nichts, er hat meistens ein Teufelsglück. Ich schätze, er hat seine Seele verkauft.«
»Hauptsache, er verkauft nicht auch noch unsere.«
Rike öffnete eine fettfleckige Tüte und hielt sie ihr hin. »Schinkensandwich? Von Linda, meiner Frau. Sie ist extra früh aufgestanden, um mir welche zu machen.«
Er sagte das mit Stolz, und sie nahm eins, um ihn nicht zu kränken.
»Wieso betraut Superintendent Quinlan Blite mit so schwierigen Sachen?«
»Und nicht Fenwick, meinen Sie?« Er musterte sie scharf, aber sie war eine gute Pokerspielerin. »Es wird gemunkelt, dass Harper-Brown möglichst bald ein paar Erfolge mehr auf Blites Konto sehen will. Er denkt, Quinlan hat ihn zu sehr im Hintergrund gehalten.«
Das konnte sein. Die Gerüchteküche, die sich nur selten irrte, hatte vermeldet, dass für eine Beförderung inzwischen wieder mehr »konkrete« Polizeierfahrung verlangt wurde.
In dem stinkenden Versteck fröstelte Nightingale und unterdrückte wieder ein Niesen. Sie schimpfte innerlich auf Blites virenverseuchte Einsatzbesprechungen. Die erste Flasche Wasser war schnell leer, aber da sie so stark schwitzte, brauchte sie sich kein anderes Zimmer zu suchen, wo sie sich ungestört erleichtern konnte. Der Schüttelfrost fing vor acht Uhr an, und sie nahm zwei Nurofen. Rike schien wohlauf.
»Ich bin nie erkältet. Hab die Konstitution eines Ochsen. Mein Großvater ist dreiundneunzig geworden, und zwei seiner Schwestern leben noch. In meiner Familie werden alle alt. Donut? Bei Erkältung soll man essen, sagt man.«
Nightingale schüttelte den Kopf und rieb sich mit einer der eiskalten Flaschen die Stirn. Schweiß rann ihr zwischen den Brüsten und den Rücken hinab. Richard ging Kaffee holen, und diesmal merkte er sich ihre Bestellung. Sie trank die bittere, schwarze Flüssigkeit, und auf einmal war ihr nicht mehr heiß, sondern sie fror. Es fühlte sich eher nach einer Grippe an, und sie verfluchte ihren Körper wegen seiner Schwäche. Das spielt sich alles bloß im Kopf ab, redete sie sich ein und musste dreimal niesen. Ihr Funkgerät krächzte laut, und Richard eilte hin, um es leiser zu stellen. Detective Inspector Blite meldete sich aus der Einsatzzentrale und schickte Rike zu
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