Crescendo
gespart hab, kauf ich mir Leopardenschuhe – die gibt’s in allen Farben, von Gelb bis Knallorange! Natürlich nur, wenn du keine Lust hast, mir morgen welche zu kaufen.«
Er drehte sich um und kam zurück. Er wollte einem endlosen Wortgefecht, wie er es oft mit Monique gehabt hatte, vorbeugen. Er setzte sich auf die zweitletzte Stufe, Auge in Auge mit seiner Tochter.
»Hast du denn eine Belohnung verdient?« Er schlang die Arme um sie, und ihr hartes, kleines Gesicht wurde weich, als ihre Hände seinen Hals umfassten. Er versuchte, den Glitter-schauer zu ignorieren, der auf seinem Jackett gelandet war.
»Ich hab eine Eins im Diktat.«
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»Das war letzte Woche.«
»Und wenn ich verspreche, nächste Woche wieder eine Eins zu schreiben?«
Er musste lächeln über ihr Selbstvertrauen, denn sie hielt jedes Versprechen. Sie war pfiffig, aber nicht die Intelligentes-te ihrer Klasse. Was sie auszeichnete, war ihre Entschlossenheit. Wenn sie sich einmal ein Ziel gesetzt hatte, erreichte sie es auch.
»Mal sehen. Geh wieder zu deinem Bruder, ich muss mich umziehen«, und diesen Anzug gleich morgen in die Reinigung bringen, dachte er.
Als er wieder herunterkam, lag Chris noch immer vor dem Fernseher. Der Kinderkanal lief.
»Habt ihr Lust auf Monopoly?«
»Da läuft gerade ein guter Zeichentrickfilm. Vielleicht spä-
ter.« Chris schenkte seinem Vater nicht mal einen Blick.
Bess nickte zustimmend. »Später.«
Fenwick blickte auf die Katze und die Maus auf dem Bildschirm, beide um einiges älter als er, doch trotz der ständigen Wiederholungen irgendwie reizvoller. Er beugte sich hinab und zerzauste Chris das Haar.
»Ich hol mir später eine Umarmung ab.«
Chris nickte kurz und strich sich die Haare glatt. Fenwick hörte leise Schritte hinter sich.
»Ach, da sind Sie ja, Andrew. Wusste ich doch, dass ich Sie hab kommen hören.«
»Hallo, Alice. Hatten Sie einen guten Tag?«
»Einigermaßen. Ich musste die Wäsche mit der Hand waschen, weil die Maschine kaputt gegangen ist, aber die Kinder brauchen ja saubere Schuluniformen, aber ansonsten …« Ihre Stimme verklang, als sie zurück in die Küche ging.
Fenwick folgte ihr. Seine Haushälterin ließ ihre Sätze oft 62
unvollendet, und Fenwick hatte es aufgegeben, sich den Rest zusammenzureimen. Alice Knight war eine kleine, rundliche Frau, die mit Anfang fünfzig Witwe geworden war und jetzt auf die Sechzig zuging. Sie hatte ohne Bedenken ihre Miet-wohnung aufgegeben und war in das Apartment gezogen, das Fenwick für das damalige Kindermädchen hatte anbauen lassen, und es machte ihr sichtlich Spaß, einen größeren Haushalt zu führen.
Er hatte versucht, sie davon zu überzeugen, kein wohlhabender Mann zu sein, obwohl er ein so großes Haus hatte, das er sich aber nur durch das Geld von der Versicherung leisten konnte, wie er ihr mehrfach erklärt hatte. Letztlich musste er sie förmlich zwingen, entsprechend bescheiden zu leben, und das ging nur durch eine Kürzung des wöchentli-chen Haushaltsgeldes. Jetzt, so vermutete er, hielt sie ihn für wohlhabend, aber knickerig, was sie wahrscheinlich auf sein schottisches Blut mütterlicherseits zurückführte. Alice war eine Frau, die nichts dagegen hatte, in Klischees zu sprechen, um nur ja keine Zeit für einen vielleicht originellen Gedanken zu vergeuden. Davon und von ihrer gelegentlichen Ver-schwendungssucht abgesehen, passte sie gut zu seiner Familie.
Sie war warmherzig, bestimmt, aber nicht streng, eine gute Köchin, und sie mochte Kinder.
»Hier riecht’s aber lecker.«
»Hackfleischauflauf mit Weißkohl. Aber keine Bange. Das Rindfleisch hab ich selbst durch den Fleischwolf gedreht, und es war ein gutes Stück. Ich dachte …«
»Köstlich. Wann können wir essen?«
»In einer halben Stunde. So früh hab ich nicht mit Ihnen gerechnet. Sie können noch was mit den Kindern spielen …«
Er ging zurück und sah sich den Zeichentrickfilm an, dann noch einen, bis das Essen auf dem Tisch stand. Der Auflauf 63
war ein Gedicht, der Kohl darin sicherlich gesund. Zwei Glä-
ser von seinem besten Rotwein waren ein bisschen übertrieben, aber sie halfen ihm, zufrieden und entspannt ins Wochenende zu gleiten.
Die Kinder machten ein wenig Theater, als sie ins Bett sollten, aber schließlich fügten sie sich. Um neun Uhr schaltete er den Fernseher ein, um sich einen Film anzusehen, füllte sein Weinglas erneut und machte es sich mit einem kleinen, behaglichen Seufzer bequem. Alice war oben und sah
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