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Cromwell, Bernard

Cromwell, Bernard

Titel: Cromwell, Bernard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stonehenge
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seines Bruders erregt hatte.
    Zuerst konnte er nur Nebelschwaden erkennen, doch dann -
ganz langsam, so wie eine Landschaft sichtbar wird, wenn die Dunkelheit der
Nacht der Morgendämmerung weicht - kristallisierte sich ein Gebilde aus dem
dunstigen Weiß heraus.
    Und was für ein Gebilde! Es war ein Tempel, aber anders
als jeder, den Saban je zuvor erblickt hatte. Statt eines Steinkreises wies
dieser Tempel zwei auf, der eine Kreis innerhalb des anderen erbaut, und zuerst
konnte Saban in dem Nebel nur die dunklen Spitzen jener Steine erkennen. Er versuchte,
die Steinsäulen zu zählen, aber es waren zu viele, und auf der
gegenüberliegenden Seite des Doppelkreises - mit Blick auf die Stelle am
Horizont, wo die Wintersonne untergehen würde - befand sich ein Eingang aus
fünf Paaren von Steinpfeilern, die durch Decksteine verbunden waren, um eine
Reihe von fünf Toren für die sterbende Sonne zu bilden. Wie gebannt starrte
Saban auf die Steinkreise, und eine magische Weile lang schien der ganze Tempel
in dem weißen Dunst zu schweben; schließlich verzog sich der Nebel aus dem
Hochtal, und es stellte sich heraus, dass die Steine fest in der dunklen Erde
verwurzelt waren.
    Camaban stand jetzt aufrecht und starrte mit offenem Mund
abwärts. »Scathel war nicht wahnsinnig«, flüsterte er, dann stieß er einen
lauten Schrei aus, sprang von dem Felssims und eilte die Bergflanke hinunter,
sodass die dunkelfelligen Schafe, die dort grasten, in alle Richtungen
auseinander stoben. Saban folgte in etwas gemächlicherem Tempo und zwängte
sich dann zwischen den Doppelringen aus Steinen hindurch, um Camaban auf der
Nordostseite des Tempels auf dem Boden hockend vorzufinden, wo er in den Tunnel
spähte, den die mit Decksteinen verbundenen Pfeiler bildeten. »Slaols Tore«,
hauchte Camaban andächtig.
    Der Tempel war in einem hohen, terrassenförmig abfallenden
Tal erbaut, das Aussicht auf das Tiefland im Süden und das jenseitige Meer bot;
am Tag der Wintersonnenwende, wenn die Sonne an jenem fernen Horizont stand,
würden ihre Strahlen quer über das Meer und das Land fallen, um die Steintore
zu durchdringen. »Alles andere ist dann dunkel«, murmelte Camaban leise, »alles
liegt im Schatten der Steine, aber in den Mittelpunkt der dunklen Schatten
dringt ein Lichtstrahl! Es ist ein Schattentempel!« Er eilte zu dem Stein
gegenüber dem Eingang, und dort, das Gesicht dem Sonnentor zugewandt, breitete
er die Arme aus und presste sich an den Felsblock, als ob die Strahlen der
untergehenden Sonne ihn an dem Gestein festnagelten. »Scathel ist großartig!«,
rief er ergriffen aus. »Ein Sohn des Himmels!«
    Die Steinpfeiler, von Natur aus vierkantig, waren nicht
sehr hoch. Diejenigen im Sonnentor überragten Camaban ein wenig, aber der Rest
besaß nicht einmal Mannshöhe, und einige waren nicht größer als ein Kleinkind.
Alle Felsbrocken stammten aus der zerklüfteten Bergspitze oder aus der
Umgebung; dann hatte man sie den steilen Abhang zu diesem Fleckchen hoch gelegenen
Landes hinunterrutschen lassen, wo sie oberflächlich in der dünnen Erdschicht
verankert worden waren. Saban stieß gegen einen der Steine, und er schwankte
gefährlich. Der Stein, an dem Camaban lehnte, bestand eigentlich aus zwei
Pfeilern, beide zu dünn, aber sie waren miteinander verbunden worden, indem in
die eine lange Seite eine Nut und in die andere ein Zapfen gemeißelt worden waren,
sodass die beiden Steine eine Einheit bildeten. »Zwei Hälften des Kreises«,
sagte Camaban ehrfürchtig, als er die zusammengefügten Steine bemerkte. »Die
Sonnenseite« — er zeigte nach Süden, wies auf die Steine, über denen die Sonne
ihre tägliche Bahn am Himmel beschreiben würde — »und die Nachtseite, hier
sind sie miteinander verbunden, und die Verbindung muss bei Sonnenuntergang
mit Blut besiegelt werden.«
    »Woher willst du das wissen?«, fragte Saban. Er war damit
beschäftigt gewesen, die Steine zu zählen, und hatte etwa die Zahl Siebzig
erreicht.
    »Woher ich das wissen will?«, fuhr Camaban auf. »Das ist
doch offensichtlich.« Erregt wirbelte er herum. »Der Meerestempel ist für den
Mittsommer und der Schattentempel für den Winter! Scathel hat das herausgefunden!
Aber dieser Tempel hier wird uns gehören. Er wird uns gehören!« Er begann, den
Kreis zu umrunden, und schlug dabei mit seinem Stock gegen die Steine, bis er
das von einem Deckstein überspannte Tor erreichte, wo er sich bückte, um durch
den Tunnel aus fünf Steinbögen zu spähen.

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