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Cromwell, Bernard

Cromwell, Bernard

Titel: Cromwell, Bernard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stonehenge
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»Dann soll Hirac ihn selbst
holen!«, gab Galeth ärgerlich zurück. »Und jetzt geh. Geh!« Er schob den sich
windenden Priester aus der Mitte des Tempels fort, dann kauerte er sich neben
die Haselnussbüsche, wo sich das seltsame Geschöpf verkrochen hatte.
»Camaban?«, rief Galeth in die Blätter. »Camaban?« Es kam keine Antwort. »Ich
werde dir nicht wehtun.«
    »Alle tun mmmir weh«, ließ sich Camaban tief aus dem
Inneren des Dickichts vernehmen.
    »Ich nicht«, erwiderte Galeth. »Du weißt, dass ich dir
nichts tue.«
    Eine kurze Weile herrschte Stille, dann war ein Rascheln
zu hören, und Camaban tauchte zögernd aus dem Haselnussgestrüpp auf. Sein
Gesicht war lang und dünn, mit einem vorspringenden Unterkiefer und großen grünen
Augen, in denen ein misstrauischer Ausdruck lauerte. »Komm und sprich mit
mir«, forderte Galeth ihn auf, während er in die Mitte der Lichtung zurückwich.
»Ich werde dir nicht wehtun. So was mache ich einfach nicht.«
    Camaban kroch auf Händen und Knien vorwärts. Er konnte
stehen, konnte sogar laufen, aber er hinkte auf groteske Weise, weil er mit
einem Klumpfuß geboren worden war, weshalb er den Namen Camaban erhalten hatte.
Der Name bedeutete »hinkendes Kind«, obwohl ihn die meisten Kinder des Stammes
Schwein nannten oder sogar noch Schlimmeres. Er war Hengalls zweiter Sohn, aber
Hengall hatte ihn verstoßen und aus den Mauern von Ratharryn verbannt, sodass
das Kind ein erbärmliches Dasein fristen und zwischen den Hütten der Leute, die
jenseits des großen Erdwalls lebten, nach Essbarem suchen musste. Sein Vater
hatte den zehnjährigen Camaban ausgestoßen, und das war inzwischen vier Sommer
her - viele wunderten sich, dass er überhaupt noch lebte. Die meisten Krüppel
starben ziemlich jung, oder sie wurden den Göttern geopfert, aber Camaban hatte
es geschafft. Wenn er kein Krüppel und Ausgestoßener gewesen wäre, hätte er
inzwischen die schweren Prüfungen abgelegt, die alle Jünglinge beim Eintritt in
das Mannesalter absolvieren mussten; der Stamm wollte ihn jedoch nicht als Mann
aufnehmen, deshalb war Camaban immer noch ein Kind, eine klumpfüßige Missgeburt.
    Hengall hätte es vorgezogen, den Jungen gleich bei seiner
Geburt zu töten, denn ein verkrüppelter Sohn war ein unheilvolles Omen,
schlimmer noch als eine Tochter; aber Camaban war mit dem roten Muttermal auf
dem Bauch zur Welt gekommen, mit einem Halbmond, und Hirac hatte erklärt, das
Baby sei von Lahanna gezeichnet. Das Kind wird vielleicht trotz seines verkrüppelten
Fußes laufen können, hatte der Hohepriester prophezeit, also warte es ab.
Camabans Mutter hatte ebenfalls um sein Leben gefleht. Sie war damals Hengalls
älteste Ehefrau gewesen und jahrelang unfruchtbar, man nahm an, sie würde
niemals ein Kind gebären. Sie hatte zu Lahanna gebetet, wie es alle kinderlosen
Frauen taten, und eine Pilgerreise nach Cathallo unternommen, wo Sannas, die
berühmte Zauberin, ihr Kräuter zu essen gegeben und sie gezwungen hatte, eine
ganze Nacht lang in dem blutigen Fell eines kürzlich getöteten Wolfes
eingewickelt liegen zu bleiben. Neun Monate später kam Camaban zur Welt, wurde
jedoch verkrüppelt geboren. Seine Mutter hatte inständig darum gebeten, das
Baby am Leben zu lassen - aber es war das Mondzeichen auf Camabans Bauch, das
Hengall schließlich dazu bewog, den Jungen zu verschonen.
    Camabans Mutter hatte nie ein weiteres Kind bekommen,
aber sie hatte ihren Wolfssohn geliebt, und als sie starb, heulte Camaban wie
ein verwaister Welpe. Hengall hatte seinen Sohn mit Schlägen zum Schweigen
gebracht und dann voller Abscheu den Krüppel aus Ratharryn hinausgejagt.
    »Hast du Hunger?«, fragte Galeth den Jungen jetzt. »Ich
weiß, dass du sprechen kannst«, sagte er, nachdem er vergeblich auf eine Antwort
gewartet hatte. »Du hast ja gerade eben erst gesprochen! Hast du Hunger?«
    »Ich habe immer Hunger«, antwortete Camaban, während er
argwöhnisch unter seiner Mähne verfilzten Haares hervorspähte.
    »Lidda bekommt den Auftrag, dir Essen zu bringen«, versprach
Galeth. »Aber wo soll sie es lassen?«
    »A-a-am Fluss«, stotterte Camaban, »da, wo Hiracs Sohn
gestorben ist.« Alle kannten jenen gottverlassenen Ort stromabwärts von der
Siedlung. Das Kind des Hohepriesters war dort ertrunken, und jetzt wuchs ein
Schlehenbusch, von dem Hirac behauptete, dass er der Geist seines toten Sohnes
sei, zwischen den Erlen und Weiden.
    »Nicht hier?«, fragte Galeth.
    »Dieser Ort hier ist geheim!«,

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