Cromwell, Bernard
herumtanzten und
Slaols Klagelied sangen. Die Männer tanzten im Inneren des Tempels, bahnten
sich mit schwerfälligen Schritten einen Weg zwischen den unfertigen Steinblöcken
und leeren Schlitten hindurch. Camaban, dessen Schnittwunden zum Teil wieder
aufgeplatzt waren und bluteten, kniete neben dem Leichnam und schrie gen
Himmel, während Aurenna und Lallic, die einzigen Frauen, die durch den
Tempeleingang hatten gehen dürfen, laut zu beiden Seiten des Toten weinten.
Zutiefst schockiert bemerkte Saban, dass zwei Priester
plötzlich einen Ochsen in den Tempel führten. Haragg hatte die Opferung
jeglicher Lebewesen verabscheut; dennoch beharrte Camaban darauf, dass die Seele
des Toten Blut brauche. Die Priester schnitten dem Ochsen die Achillessehnen
durch, dann wurde sein Schwanz hochgehoben, sodass sein Kopf herabsank, und
Camaban schwang die Bronzeaxt; aber sein Schlag prallte lediglich an einem der
Hörner ab, und die Axtklinge grub sich in den Hals des Tieres. Der Ochse
brüllte auf vor Schmerz. Camaban schlug erneut zu und traf erneut daneben; als
nun einer der Priester ihm die Axt wegzunehmen versuchte, geriet er in Rage
und wirbelte sie in einem gefährlichen Bogen herum, wobei er den Priester nur
knapp verfehlte — dann hackte er wie ein Rasender auf das Tier ein. Blut
spritzte auf den Mutterstein, auf den Leichnam, auf Aurenna und Lallic und
Camaban; aber schließlich brach das gefesselte Tier zusammen, und Camaban erlöste
es mit einem letzten Hieb von seinen Qualen. Dann warf er die Axt zu Boden und
ließ sich auf die Knie fallen. »Haragg wird wieder leben!«, schrie er. »Er wird
wieder zum Leben erwachen!«
»Er wird wieder zum Leben erwachen«, wiederholte Aurenna,
dann schlang sie die Arme um Camaban und zog ihn hoch. »Haragg wird wieder
leben«, bestätigte sie tröstend und streichelte Camaban, der haltlos an ihrer
Schulter schluchzte.
Der Ochsenkadaver wurde weggezerrt, und erbittert verrieb
Saban Kreidestaub auf den Blutflecken. »In diesem Tempel hatte es niemals
Opferungen geben sollen«, beschwerte er sich bei Kilda.
»Wer hat das gesagt?«
»Haragg.«
»Aber der ist tot«, erwiderte sie grimmig.
Haraggs Leichnam blieb im Sonnenhaus liegen, wo er langsam
verweste, sodass die Männer, die die Löcher gruben und die Steine formten,
ständig den Gestank des toten Hohepriesters in der Nase hatten. Raben taten
sich an dem Leichnam gütlich, und Maden krochen in seinem verfaulenden Fleisch
herum. Es dauerte ein ganzes Jahr, bis von der Leiche nur noch die Knochen
übrig waren, und selbst dann weigerte Camaban sich, die Gebeine begraben zu
lassen. »Sie müssen dort bleiben«, entschied er, also blieben Haraggs Knochen
im Tempel liegen. Einige wurden von Tieren weggeschleppt, obwohl Saban versuchte,
das Gerippe als Ganzes zu erhalten. Im Laufe des Jahres kam Camaban wieder zur
Besinnung und erklärte, dass er Haraggs Nachfolge antreten würde — was
bedeutete, dass er jetzt Clanführer und Hohepriester zugleich war. Beharrlich
blieb er bei seiner Überzeugung, dass Haraggs Gebeine das Blut von Opfern
brauchten; deshalb brachte er Schafe, Ziegen, Ochsen, Schweine und sogar Vögel
in den Tempel und schlachtete sie über den trockenen Knochen, die von dem
unaufhörlich fließenden Blut schwarze Flecken bekamen. Die Sklaven machten
einen großen Bogen um die Stelle, obwohl Saban eines Tages zu seiner Bestürzung
sah, wie Hanna über dem blutbesudelten Gerippe kauerte. »Wird er wirklich
wieder zum Leben erwachen?«, fragte sie Saban.
»Das behauptet Camaban zumindest«, murmelte Saban.
Hanna schauderte, während sie sich ausmalte, wie sich das
Gerippe des Priesters mit Fleisch und Haut überzog und sich dann unbeholfen vom
Boden erhob, um mit dem steifbeinigen Gang eines Betrunkenen zwischen den
großen Steinen umherzuwanken. »Und wenn du stirbst«, fragte sie Saban, »wirst
du dann auch im Tempel liegen?«
»Wenn ich sterbe«, sagte Saban, »musst du mich irgendwo
begraben, wo es keine Steine gibt. Überhaupt keine Steine!«
Hanna blickte ihn einen Moment lang stirnrunzelnd an, dann
lachte sie. Sie wuchs schnell, und in ein oder zwei Jahren würde sie als Frau
betrachtet werden. Sie wusste, wer ihre richtige Mutter war, und sie wusste
auch, dass ihr Leben davon abhing, niemals ein Wort darüber verlauten zu
lassen; deshalb nannte sie Kilda Mutter und Saban Vater. Manchmal fragte sie
Saban, ob ihre richtige Mutter noch lebte, und Saban konnte ihr nur sagen, dass
er es hoffte — obwohl
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