Cromwell, Bernard
einer
Kopfbewegung auf den Tempel -»wird uns allen solch unendlich große Freude
bereiten! Mach ihn fertig. Mach ihn einfach fertig!« Der Zauberer ging davon.
Die Eingangspfeiler wurden zu dem erhöhten Fußweg
zurückgebracht und wieder in ihren Löchern verankert; dann brauchte nichts
mehr weiter getan zu werden, als die letzten Decksteine des Himmelsrings auf
ihre Pfeiler zu hieven. Saban machte sich Sorgen, dass die zuletzt
aufgestellten Säulen nicht genügend Zeit gehabt hatten, um sich im Erdreich
abzusetzen, aber Camaban wollte jetzt keinen Aufschub mehr dulden. »Es muss
geschehen«, drängte er unerbittlich. »Der Tempel muss bereit sein.«
Aber bereit wofür? Manchmal, wenn Saban lange Zeit auf die
in Schatten gehüllten Steine starrte, schien es ihm, dass sie längst ein
Eigenleben führten. Wenn er müde war und das Licht trübe, schienen sich die
Pfeiler wie langsame, schwerfällige Tänzer zu bewegen, obwohl sie, wenn er den
Kopf hob und sie direkt ansah, vollkommen still standen. Dennoch waren die
Steine von dem Geist der Götter durchdrungen, das glaubte er felsenfest. Der
Tempel war noch nicht geweiht worden, und doch hatten die Götter ihn
angenommen. Sie schwebten über den hohen Steinen. An manchen Abenden pflegte
er zu ihnen zu beten; Kilda fand ihn eines Abends, während er gerade in ein
Gebet versunken war; schweigend wartete sie, bis er fertig war, dann fragte sie
ihn, worum er die Götter gebeten habe.
»Ich bitte sie immer darum«, sagte Saban, »dass sie das
Leben meiner Tochter verschonen.«
»Hanna ist jetzt deine Tochter«, berichtigte Kilda. »Und
auch meine.«
»Du glaubst, Derrewyn ist tot?«
»Ich glaube, sie lebt noch«, meinte Kilda, »aber ich
denke, du und ich werden immer wie Eltern für Hanna sein.«
Saban nickte, dennoch betete er weiterhin um Lallic. Sie
sollte hier Priesterin werden, und er war der Erbauer des Tempels; daher hoffte
er inständig, dass sie mit der Zeit ihre Furcht vor ihm verlieren und ihm ihr
Vertrauen schenken würde — denn sie erkannte sicherlich, dass dies ein
wundervoller Ort war, ein Heim für die Götter, und würde irgendwann begreifen,
dass ihr Vater ihn erschaffen hatte.
Und jetzt war er fast fertig.
Das Fest der Sommersonnenwende kam, und die Bullentänzer
tollten durch den Tempel. Die Feuer vertrieben die bösen Geister, und am
nächsten Morgen warf die aufgehende Sonne zum allerersten Mal den Schatten des
Sonnensteins durch den vollständigen Kreis von Pfeilern bis in die Tempelmitte,
wo Haraggs Gebeine lagen.
Die letzten Decksteine wurden geformt. Bei einem dieser
Steine stellte sich heraus, dass die Zapfen zu dicht beisammenstanden, weil
Camaban beharrlich behauptet hatte, es würde schneller gehen, zuerst die Löcher
zu bohren, bevor die Decksteine gehievt wurden; also musste Saban die Sklaven
anweisen, ein drittes Loch zu bohren. Es würde, so betete er, die letzte
Verzögerung sein.
Die Ernte wurde eingebracht. Die Frauen tanzten auf den
Dreschböden, um die Erde festzustampfen und zu glätten, und die Priester
enthülsten die ersten Feldfrüchte. Es kamen keine Sklaven mehr nach Cathallo,
denn es gab kaum noch genug Arbeit für diejenigen, die bereits im Tempel waren;
aber Camaban weigerte sich, sie freizulassen. »Wir können sie ernähren, bis
der Tempel geweiht ist«, erklärte er. »Sie haben ihn gebaut, also sollten sie
ihn auch als fertiges Bauwerk erleben - anschließend sind sie frei.«
Der Winter kam, und die Leute hofften, es würde der
allerletzte Winter auf Erden sein. Kilda hatte eine Fehlgeburt und weinte
danach tagelang. »Ich habe mir immer ein Kind gewünscht«, erklärte sie Saban
schluchzend, »aber die Götter wollen mir keines gewähren.«
»Du hast doch Hanna«, erwiderte Saban in dem Versuch, sie
zu trösten, so wie sie ihn oft getröstet hatte.
»Sie ist jetzt fast erwachsen«, sagte Kilda, »und ihr
Schicksal ist nahe.«
»Ihr Schicksal?«
Kilda zuckte die Achseln. »Sie ist Derrewyns Kind und hat
Sannas' Blut in den Adern. Ihr Schicksal, Saban, wird sich bald erfüllen.«
Es sollte sich gleich am nächsten Tag erfüllen. Draußen
herrschte empfindliche Kälte, und die Tempelsteine waren mit Raureif überzogen.
Mittlerweile waren nur noch zwei Decksteine übrig, die auf die entsprechenden
Pfeiler gehievt werden mussten; Saban hatte gerade damit angefangen, das
Hebegerüst für den ersten Deckstein aufzuschichten, als Leir von der Siedlung
heraufkam. Er hatte den Schmuck der Krieger von
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