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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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gesehen?«
    »Sie meinen, eine Zivilperson?«
    »Nein, ich meine den Schneemenschen. Jawohl,
eine Zivilperson. Eine Schwarze, ungefähr eins fünfundsechzig, ohne Schuhe.«
    »Das haben Sie erfunden, nicht?« Kurze Pause.
»Wir haben niemanden gesehen. Es ist dunkel. Keine Ahnung.«
    Der Posten sprang vom Trittbrett. »Warten Sie.
Ich werfe einen Blick hinten rein.«
    Nicht bewegen, Lacey, sagte
die Stimme. Nicht bewegen. Die
Plane wurde zur Seite geschlagen, schloss sich, öffnete sich wieder. Ein
Lichtstrahl schien herein. Mach die Augen zu,
Lacey.
    Sie gehorchte. Sie spürte, wie der Strahl der
Taschenlampe über ihr Gesicht strich, einmal, zweimal, dreimal. Du,
Herr, bist der Schild für mich ...
    Sie hörte zwei harte Schläge gegen die
Seitenwand, dicht neben ihrem Ohr. »Alles klar!«
    Der Lastwagen fuhr weiter.
    Richards war alles andere als erfreut. Die
schwarze Nonne, Lacey Antoinette Kudoto - was suchte sie hier?
    Er beschloss, Sykes noch nichts zu sagen. Nicht
solange er nicht mehr darüber wusste. Er hatte sechs Mann losgeschickt. Sechs!
Knallt sie ab, verdammt! Und sie waren unverrichteter Dinge zurückgekommen. Er
hatte sie noch einmal losgeschickt; sie sollten außen um den Zaun herum
suchen. Findet sie! Jagt ihr eine Kugel in den Leib! Ist denn das so schwer?
    Die Sache mit Wolgast und dem Kind dauerte jetzt
zu lange. Und Doyle - wieso war er noch
am Leben? Richards sah auf die Uhr: 00:03 Uhr. Er nahm seine Waffe aus der
unteren Schreibtischlade, überprüfte das Magazin und schob sie sich ins Kreuz.
Dann verließ er sein Büro, nahm die Treppe hinauf zur Ebene eins und trat über
die Laderampe ins Freie.
    Doyle war drüben in den zivilen Unterkünften
untergebracht; sein Zimmer hatte einem der toten Schrubberschwinger gehört. Der
Posten vor der Tür döste auf seinem Stuhl.
    »Aufstehen!«, sagte Richards.
    Der Soldat schreckte aus dem Schlaf und riss
verständnislos die Augen auf. Anscheinend wusste er nicht, wo er war. Als er
Richards erkannte, sprang er sofort auf und nahm Haltung an. »Verzeihung, Sir.«
    »Machen Sie die Tür auf.«
    Der Soldat gab den Code ein und trat beiseite.
    »Sie können gehen«, sagte Richards.
    »Sir?«
    »Wenn Sie schlafen müssen, tun Sie es in der
Baracke.«
    Ein erleichtertes Aufatmen. »Jawohl, Sir.
Verzeihung, Sir.«
    Der Soldat verschwand im Laufschritt. Richards
stieß die Tür auf. Doyle saß auf dem Fußende des Bettes, die gefalteten Hände
auf dem Schoß, und starrte auf die leere Stelle an der Wand, wo der Fernseher
gehangen hatte. Ein Tablett mit unberührtem Essen stand auf dem Boden und
verströmte einen leichten Geruch von fauligem Fisch. Als Doyle den Kopf hob,
kräuselte ein schmales Lächeln seine Lippen.
    »Richards. Sie Drecksack.«
    »Gehen wir.«
    Doyle seufzte und schlug sich auf die Knie.
»Wissen Sie, er hatte recht mit Ihnen. Wolgast, meine ich. Ich sitze hier und
frage mich die ganze Zeit: Wann wird mein alter Freund Richards mich wohl
besuchen?«
    »Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre ich früher
gekommen.«
    Doyle sah aus, als wolle er lachen. Richards
hatte noch nie eine so gute Laune bei einem Mann gesehen, der sicher wusste,
was mit ihm passieren würde. Doyle schüttelte wehmütig den Kopf. Er lächelte
immer noch. »Ich hätte versuchen sollen, an diese Schrotflinten zu kommen.«
    Richards zog die Pistole und entsicherte sie.
»Es hätte ein bisschen Zeit gespart, ja.«
    Er führte Doyle über das Gelände auf die Lichter
des Chalets zu. Möglich, dass Doyle einen Fluchtversuch unternehmen würde,
aber wie weit würde er kommen? Und Richards wunderte sich. Warum hatte er nicht
nach Wolgast oder der Kleinen gefragt?
    »Sagen Sie mir eins«, bat Doyle, als sie auf dem
Parkplatz waren. »Ist sie schon hier?«
    »Ist wer hier?«
    »Lacey.«
    Richards blieb stehen.
    »Also ist sie hier«, sagte Doyle und kicherte in
sich hinein. »Richards, Sie sollten Ihr Gesicht sehen.«
    »Was wissen Sie darüber?«
    Es war seltsam. Ein kühles blaues Licht
leuchtete in Doyles Augen. Selbst im Halbdunkel auf dem Parkplatz konnte
Richards es sehen. Als schaue er in dem Augenblick in eine Kamera, als der
Verschluss sich öffnete.
    »Komisch - aber wissen Sie was?« Doyle hob den
Blick zu den dunklen Umrissen der Bäume. »Ich konnte sie kommen hören.«
     
    Grey.
    Er war auf E4. Auf dem Monitor die leuchtende
Gestalt Zeros. Grey. Es ist Zeit.
    Da fiel es ihm wieder ein, alles fiel ihm
endlich wieder ein: seine Träume und all die Nächte, die er vor

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