Crossfire 1: Kontakt
außerirdischen ist
während der Nacht nichts vorgefallen. Es steht immer noch
einfach da.«
Jake, dessen Laune merklich gedrückter war, fügte hinzu:
»Wir haben Wasser im großen Gleiter, wenn Sie sich etwas
frisch machen wollen. Im Tank.«
»Naomi ist hier, nicht wahr?«, fragte Shipley. Lucy
stand mit dem Rücken zu Jake und aß etwas, was George
offenbar auf dem Kocher aufgewärmt hatte. George machte einen
ruhigen Eindruck. Anscheinend war er darüber hinweg, Erik
Halberg erschossen zu haben. Oder vielleicht war er einer von jenen
Menschen, die über ihre Taten gar nicht erst hinwegkommen
mussten.
Kurz angebunden antwortete Jake: »Ja. Nan und Lucy sind
angekommen.« Er ging zum Gleiter davon.
»Wo ist Naomi?«, fragte Shipley, an Ingrid gewandt.
»Wissen Sie es?«
»Vielleicht schläft sie. Sie haben ein weiteres Zelt
mitgebracht – es ist dort drüben aufgestellt.«
Das zweite, kleinere Zelt stand rechts vom Bunker. Shipley hatte
es bisher nicht bemerkt. Er ging nicht hin. George verteilte Tassen
mit dampfendem Kaffee, und Shipley nahm eine.
Überrascht merkte George an: »Das ist das erste Mal,
dass ich dich Kaffee trinken sehe, Will.«
Shipley antwortete nicht. Es war ihm zu mühsam zu
erklären, dass er für gewöhnlich tatsächlich
Koffein ablehnte. Selbst ein schwaches Aufputschmittel wie Kaffee
störte seine innere Stille. Aber die Umstände waren nicht
»gewöhnlich«. Er war ohnehin schon so aufgewühlt,
dass er die innere Stille nicht mehr empfinden konnte. Es geschah
einfach zu viel. Und der Kaffee war zumindest heiß.
Er trank die Hälfte davon und wusste sofort, dass es ein
Fehler gewesen war. Es gab gute Gründe für die Regel der
Mäßigung. Sein Herz raste und pochte.
Verstohlen schüttete er den Rest des Kaffees auf den Boden,
als Naomi, die sich noch nicht schlafen gelegt hatte, um den
größeren Gleiter herumkam. Gail war bei ihr, und beide
schleppten sie Taschen herbei.
»Morgen, Paps!«, rief Naomi. »Hier sieht’s
langsam aus wie auf ’nem verdammten Gebrauchtwagenmarkt,
was?« Mit der freien Hand wies sie auf die beiden Gleiter und
den Geländewagen und lachte.
Sie hatte offenbar ein wenig mehr als nur Koffein zu sich
genommen.
»Naomi…«
»Ich weiß, ich seh furchtbar aus«, sagte sie
vergnügt. »Aber mir geht’s prima. Und bei diesem
entscheidenden Ereignis der Menschheitsgeschichte spielt mein
Aussehen nicht wirklich eine Rolle, oder?« Sie drehte sich halb
herum und zwinkerte Gail zu, die Naomi mit einem missbilligen Blick
bedachte. Naomi sah tatsächlich furchtbar aus, befand Shipley,
aber sie wirkte ziemlich zielstrebig. Und das war etwas, was Shipley
noch nie zuvor an ihr bemerkt hatte.
Jake kam heran. »Was ist das, Gail?«
Gail stellte die Tasche ab. Auf Shipley wirkte sie leicht
aggressiv. »Ausrüstung, die Nan und Lucy mitgebracht
haben.«
»Was für eine Ausrüstung?« Seine Stimme klang
lahm.
Gail trat einen Schritt vor und schaute ihm direkt in die Augen.
»Lass uns das klarstellen, Jake: Ich weiß, dass du ihnen
befohlen hast, nicht hierher zu kommen. Sie haben es trotzdem getan,
und du ärgerst dich schwarz darüber. Aber jetzt sind sie
hier, und sie haben ein paar gute Ideen mitgebracht. Und in unserer
augenblicklichen Lage ist es deine Pflicht und Schuldigkeit, sie
zumindest anzuhören.«
»Meine Pflicht und Schuldigkeit diesem Unternehmen
gegenüber ist es, sie nach Mira City zurückzuschicken. Und
genau das werde ich tun.«
»Du bist ein tyrannischer Betonschädel, weißt du
das?«, warf Naomi ein.
»Nan…«, setzte Gail an.
»Halt dich aus der Sache einfach raus, Gail!«, sagte
Jack unwirsch. »Ich weiß, dass sie jetzt deine Freundin
ist, doch das bedeutet nicht…«
»Aber, Jake«, spottete Naomi, »wo ist denn dein
diplomatisches Feingefühl geblieben?«
»Du nichtsnutzige kleine Schlampe…«
»Jake, wage es nicht, Nan so…«
»Halt!«, brüllte Shipley.
Alle drei verstummten, und der Rest des Lagers mit ihnen.
Shipley überkam wieder die Müdigkeit. Freundin. Alle blickten ihn überrascht an: William Shipley, Arzt,
Neuer Quäker, der nie die Stimme erhob oder Befehle gab. Eine
Witzfigur von einem Heiligen. Jemand, der an irgendwelchen
antiquierten Humbug glaubte. Mein Gott, wie müde er war. Der
Kaffee hatte es nur noch schlimmer gemacht.
»Ich möchte, dass wir uns zu einer Stillen Andacht
zusammensetzen«, sagte er. »Wir alle. Sofort.«
Er sagte nicht einmal »bitte«.
Irgendetwas an Shipleys Ausbruch ließ Jack
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