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Crossfire 1: Kontakt

Crossfire 1: Kontakt

Titel: Crossfire 1: Kontakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Keine der beiden Frauen war sonderlich gut darin
nachzugeben.
    Aber Nan rollte sich nur auf den Bauch und erwiderte: »Ich
erzähl dir mal eine Geschichte aus meiner Kindheit.«
    Gail blinzelte im Dämmerlicht in ihre Richtung. Es war kurz
nach Mitternacht, aber sie hatten die Abdeckung des Zeltes offen
gelassen. Kühles Sternenlicht tauchte alles in Silberglanz. Gail
fröstelte, jetzt, da die Hitze der Liebe abgeklungen war. Sie
hatte sich in eine Decke gewickelt. Nan lag nackt da. Anscheinend war
ihr nie kalt oder heiß, wie sie anscheinend auch nie Hunger
oder Müdigkeit verspürte. Ihr kaum ausgeprägter
Hintern bildete einen kleinen Hügel in der langen, festen
Oberfläche des Körpers. Gail konnte die Narben sehen,
einige alt und andere neu. Nan widmete ihnen anscheinend genauso
wenig Aufmerksamkeit wie irgendwelchen anderen körperlichen
Bedürfnissen – außer Sex.
    »Als ich acht oder neun Jahre alt war«, begann Nan,
»wünschte ich mir eine Katze. Nicht irgendeine Katze,
sondern eine genetisch aufgewertete Katze, die ich in der Werbung
gesehen hatte. Meine Mutter war einige Monate zuvor gestorben, und
ich wünschte mir diese Katze so sehr. Sie war hellblau und hatte
große silberfarbene Augen und große Ohren wie ein
Elefant. Sie konnte auch sprechen. Nicht richtig natürlich. In
ihrer Kehle war ein Stimmmodulator verdrahtet, der auf
unterschiedliche Anspannung der Stimmbänder reagierte. Wenn sie
ein leises, zufriedenes Schnurren von sich gab, dann hörte man
die Worte ›Ich bin so glücklich‹ oder irgend so
’n Scheiß.«
    »Daran erinnere ich mich«, sagte Gail. Sie hatte diese
Tiere grässlich gefunden, aber als Nan acht oder neun Jahre alt
gewesen war, war sie selbst schon achtundzwanzig oder neunundzwanzig
gewesen.
    »Ich wünschte mir diese Katze von ganzem Herzen. Ich
habe versucht, meinen Vater zu zermürben. Ich redete beim
Frühstück über die Katze. Ich redete beim Mittagessen
über die Katze. Ich redete beim Abendessen über die Katze.
Wenn er pinkelte, stand ich draußen vor der Toilette und rief
ihm durch die Tür von der Katze zu. Ich mailte ihm Holos von der
Katze. Ich war gnadenlos.«
    Das glaubte Gail ihr sofort.
    »Das Seltsame war: Ich hätte mir die verdammte Katze
einfach selbst kaufen können. Auf einem Sparbuch hatte ich Geld,
das mir meine Großmutter im Laufe der Jahre geschenkt hatte.
Eine ganze Menge Geld. Aber ich wollte, dass er mirdiese Katze
kauft. Damit ich sehe, dass er weiß, wie sehr ich mir diese
Katze wünsche, oder dass er meinen Wunsch billigt oder irgend so
’ne Scheiße.«
    Um zu zeigen, dass er dich liebt, dachte Gail. Sie legte
die Hand auf Nans nackten Hintern. Nan schien es nicht zu
bemerken.
    »Aber er kaufte mir die Katze nicht. Stattdessen setzte er
sich mit mir hin und erzählte mir was von Schlichtheit,
Gewaltlosigkeit und darüber, dass man natürliche
Geschöpfe so sein lassen soll, wie sie sind, statt ihre Gene aus
Eitelkeit und Egoismus zu verändern. Das machte er immer wieder,
stets freundlich und geduldig, und nie verlor er die Beherrschung.
Und ich wollte die Katze immer nur noch hartnäckiger. Ich
sprühte das Bild der Katze auf seine Praxistür. Ich schrie
ihn in aller Öffentlichkeit an. Ich formte sogar die Umrisse der
Katze mit meiner Scheiße auf seinem Bett.«
    O mein Gott, dachte Gail, der arme Dr. Shipley.
    »Je mehr ich drängte, umso geduldiger redete er auf mich
ein. Er schleppte mich zu Stillen Andachten und probierte es mit
irgendwelchem Blödsinn wie Gute-Nacht-Geschichten. Aber ich
hörte nicht auf, nach der Katze zu fragen.«
    »Es war ein Machtkampf.«
    »Da kannst du deine geschickten Finger drauf wetten. Eines
Tages kam er dann mit diesem Kätzchen an. Nicht mit der Katze. Keine genetisch aufgewertete. Ein ganz normales,
glotzäugiges, ekelhaft süßes Kätzchen, grau mit
weißen Streifen. Und das sollte mich beruhigen. Weißt du,
was ich getan habe?«
    »Was?« Gail wusste jetzt schon, dass ihr die Antwort
nicht gefallen würde.
    »Ich hab mein Geld von der Bank geholt und das Kätzchen
zu einer Genklinik im Indianerreservat gebracht. Diese Kliniken waren
dort erlaubt, weißt du, es war kein US-Land,
daher…«
    »Ich weiß«, unterbrach Gail sie. »Erzähl
weiter.«
    Nan drehte sich um, streifte Gails Hand ab und legte sich auf den
Rücken. Sie blickte durch das Insektennetz zu den Sternen.
»Ich konnte das Kätzchen natürlich nicht zu der Katze
machen, die ich wollte. Aber ich ließ fluoreszierende Gene
unter ihre

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