Crossfire 1: Kontakt
deutlich
erkennen konnte. Doch im nächsten Augenblick erstarb Nans
Grinsen, und sie sagte nüchtern: »An Jake nagt
irgendwas.«
»Ist mir nie aufgefallen. Was denn?«
»Deswegen mag ich dich so«, stellte Nan fest, und ihr
Grinsen kehrte zurück. »Du bemerkst nie was bei anderen
Leuten, wenn es nicht ganz offensichtlich ist. Ich weiß nicht,
was Jake für Probleme hat. Ist mir eigentlich auch egal. –
Gail, kehr morgen noch nicht nach Mira City zurück. Die Stadt
kann auch einen Tag länger ohne dich auskommen. Begleite mich
und diese Ranken zu den Pelzlingsdörfern.«
Gail war gerührt. Nan hatte ihren üblichen Sarkasmus,
ihre Abwehrhaltung, diese unangenehme »Ich schlag zu, bevor ich
geschlagen werde«-Haltung aufgegeben. Sie hatte ihre Bitte so
einfach und aufrichtig vorgebracht, als würden sie sich schon
seit Jahren lieben.
»Ich glaube, die Mira Corporation kann tatsächlich einen
Tag länger ohne mich auskommen. Aber eins noch…«
Nan schob sich näher an sie heran, und Gail vergaß, was
sie noch hatte sagen wollen. Dieses geschlagene, verwundbare,
schwierige, starrsinnige, unzuverlässige Mädchen… Gail
hätte nie damit gerechnet, wieder solche Gefühle empfinden
zu können. Das war schon einen Tag Wasserversorgung und
Abfallwirtschaft wert.
Am nächsten Morgen war sie sich dessen nicht mehr so sicher.
George, der entweder sehr gut geschlafen hatte oder nicht viel Schlaf
brauchte, weckte sie alle lange vor Sonnenaufgang. »Wir
müssen noch essen und packen, damit wir bereit sind, wenn die
Ranken aufbrechen.«
»Wohin aufbrechen?«, erwiderte Gail mürrisch.
»Haben deine Außerirdischen einen festen Reiseplan,
George?«
»Ich werde sie fragen, wenn sie aufstehen. In der
Zwischenzeit wollte ich mit dir noch über eine Theorie sprechen,
die…« Er bemerkte ihren Gesichtsausdruck. »Aber ich
rede gern mit jemand anderem darüber.«
»Gute Idee.«
Lucy, die offenbar ebenfalls Frühaufsteherin war, verteilte
Schalen mit heißem Noja, einem nährwertoptimierten und
ballaststoffreichen synthetischen Nahrungsmittel auf Soja-Basis. Gail
nahm eine Schüssel davon und eine Tasse Kaffee. Sie aß im
Stehen und zitterte ein wenig in der Morgenkühle. Prüfend
blickte sie sich um, um zu sehen, wie es den anderen so ging.
Dr. Shipley sah furchtbar aus, als hätte er kaum geschlafen.
Ungeschickt half er Müller dabei, die Ausrüstung aus dem
Turm herauszutragen, den sie in Kürze verlassen würden. Das
Funkfeuer blieb aktiviert, vermutlich für den Fall, das weitere
Ranken vom Mutterschiff herunterkommen wollten. Vorausgesetzt, es gab
dort weitere Ranken. Karim und Ingrid bauten das große Zelt ab
und Nan das kleine. Fehlte nur noch Jake. Gail entdeckte ihn nicht,
bis er plötzlich hinter ihr stand.
»Ich habe gerade mit Faisal gesprochen und…«
»Er ist schon auf?«
»Und hat schon seinen Frühsport hinter sich. Nicht jeder
ist ein Morgenmuffel, Gail.«
»Mmm«, machte sie nur, noch zu müde zum
Streiten.
»Faisal berichtete, dass es in Mira City keine Probleme gibt.
Wir werden dort nicht gebraucht.«
»Du wirkst nicht so, als hieltest du das für eine gute
Nachricht«, stellte Gail fest.
Jake zuckte mit den Schultern. »Niemand ist unentbehrlich,
aber wir würden es alle gern von uns glauben. Wie auch immer,
hier ist alles vorbereitet. Endlich. Eigentlich wollte ich, dass
Müller den Geländewagen zurückbringt und Leutnant
Wortz Bericht erstattet. Er wollte das nicht, und
daher…«
Gail verschluckte sich an ihrem Kaffee. »›Wollte das
nicht?‹ Seit wann überstimmt die Sicherheitsmannschaft
deine Befehle?«
Jake blickte sie ernst an. »Tut sie nicht. Aber ich habe
ebenfalls mit Dr. Shipley gesprochen. Er wollte in Müllers
Nähe bleiben und sicherstellen, dass Müller nach allem, was
vorgefallen ist, nicht doch noch eine Psychose durch die Erneuerung
entwickelt.«
»Meine Güte, Jake! Wollen wir wirklich so jemanden
mitnehmen, wenn Außerirdische dabei sind, die zu wer weiß
was fähig sind? Zwei Arten von Außerirdischen.
Weshalb schickst du nicht Shipley und Müller in
Geländewagen zurück nach Mira City?«
»Weil Shipley nicht gehen würde. Er meint, er müsse
noch ein Bekenntnis für den Frieden ablegen. Und ich werde
Müller nicht allein und ohne Beaufsichtigung
wegschicken.«
Ein Bekenntnis für den Frieden. Eine Psychose.
Außerirdische. »Seit wann hat das Narrenkraut im Garten
die Macht an sich gerissen?«
»Immer schon. Wie auch immer, du hast dein eigenes
Narrenkraut
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