Crossfire 2: Feuerprobe
du
erwartet?«
Sie schüttelte kaum merklich den Kopf, eine schlanke Gestalt
im Zwielicht neben seinem Feldbett. Mit der Lichtquelle in ihrem
Rücken konnte Jake ihr Gesicht nicht erkennen, aber sie
vielleicht das seine. Falten, spärliches weißes Haar,
feuchte und tief eingesunkene Augen. Alt.
»Ich habe dich immer geliebt, musst du wissen«, gestand
sie ihm. »Auch, nachdem ich mit Karim weggeflogen bin.«
»Du musst keine Rücksicht auf mein Alter nehmen«,
antwortete er und war erschrocken, als er die Belustigung in seiner
eigenen Stimme hörte. »Was passiert dort draußen?
Nein, lass dir nicht anmerken, dass wir uns unterhalten. Man
hält mich für schwachsinnig, und wenn man herausfindet,
dass ich das nicht bin, bin ich tot.«
Er spürte, wie sie erstarrte. Aber im nächsten
Augenblick fasste sie sich wieder. Lucy hatte stets diese
Fähigkeit gehabt, erinnerte sich Jake: eine
Anpassungsfähigkeit, versteckt unter ihrer Empfindsamkeit. Leise
berichtete sie: »Wir nehmen an, dass der Plan funktioniert hat.
Wir haben die infizierten Pelzlinge beim Planeten der Ranken
ausgesetzt. Die Ranken haben uns bestätigt, dass man sie
aufgesammelt hat, und wir glauben, die Infektion hat sich verbreitet.
Aber jetzt kreist ein Schiff der Pelzlinge in der Umlaufbahn. Das
Beiboot landete in den Avery Mountains und zerstörte ein Lager
der Cheyenne. Nein, es war eigentlich eine Forschungsstation von Mira
City, die die Cheyenne… Aber das ist egal. Sie haben diesen
Strahl benutzt, den wir früher schon erlebt haben. Die Cheyenne
waren gerade von wilden Pelzlingen angegriffen worden. Nan Frayne ist
tot.«
Sie erkannte, dass er das alles erst einmal verdauen musste, und
hielt einen Moment inne, gesenkten Hauptes. Ein kräftiger
Windstoß fuhr durch das duftende Gestrüpp am
Höhleneingang. Regen zog auf. Jake dachte an Nan Frayne, diese
schwierige und rätselhafte Frau mit ihrem Kreuzzug für eine
Spezies, die nicht die ihre war. Er schloss die Augen.
Lucy fuhr fort: »Ich glaube, die Pelzlinge aus dem Raumboot
befürchten, dass die Menschen sie erneut anstecken können.
Sie trugen Anzüge und Helme, was sie früher auf Greentrees
nie taten. Außerdem haben sie die wilden Pelzlinge verschleppt.
Karim meint, es wäre vielleicht ein Schiff voller Pelzlinge, die
vom Rest ihrer Art abgeschnitten sind, denn sie riskieren, angesteckt
zu werden, wenn sie nach Hause zurückkehren. Er glaubt, sie
wollen die wilden Pelzlinge für einen größeren
Genpool benutzen und Greentrees zu ihrem Planeten machen.
Die Menschen sollen vollständig ausgelöscht werden,
damit die Ansteckungsgefahr gebannt ist. Karim hat mich ausgesandt,
um Julian Ma…«
»Nein!«
»Was?«, fragte Lucy.
»Julian Martin ist derjenige, der mich umbringen will. Es
würde zu lang dauern, dir das alles zu erklären. Aber,
Lucy, er will die Herrschaft über Greentrees an sich
reißen. Er wird mich töten. Ich muss zu Alex gelangen und
sie warnen!«
»Ich glaube nicht, dass du irgendwo hinkommst,
Jake.«
»Das wollen wir doch mal sehen«, verkündete er
grimmig. »Du wirst mir dabei helfen. Wo ist Karim?«
»Er und Jon McBain – das ist dieser Xenobiologe, bei dem
wir gelandet sind, nachdem die Ranken uns abgesetzt
haben…«
»Die Ranken?«
»Ich muss es dir wohl von Anfang an erzählen«,
sagte Lucy.
»Dann mach es«, forderte Jake. »Aber lass es so
aussehen, als würdest du laut beten oder so was, und mach es
kurz.«
Sie war nicht einmal halb fertig, als die Wache von draußen
durch das tarnende Buschwerk stürmte und ein Licht aufdrehte.
Jake blinzelte in der plötzlichen Helligkeit und sah, dass der
Junge weinte. Die Bereichsleiterin eilte herbei. »Mohammed! Was
denkst du dir dabei?«
»Sie haben Mira City zerstört!«, berichtete der
Junge. »Gerade kam ein Melder vorbei, und er hat es gesehen! Die
Stadt ist… ist weg. Keine Häuser mehr, keine Menschen, gar
nichts! Sie ist einfach nicht mehr da – und auch niemand mehr,
der berichten könnte, was passiert ist!«
»O mein Gott«, sagte die Bereichsleiterin. Ihr stiegen
die Tränen in die Augen, aber in strengem Tonfall, der ihm
Sicherheit vermitteln sollte, befahl sie dem Jungen: »Geh wieder
nach draußen auf deinen Posten! Lass dein Sprechgerät
aktiviert und auf Empfang, aber gehe auf keinen Fall auf Sendung! Und bleib in Deckung, damit man dich aus der Luft
nicht sehen kann. Mohammed, hast du mich verstanden?«
»Jawohl, Ma’am. Meine Eltern… sie wollten Mira
diesmal nicht
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