Crossfire 2: Feuerprobe
sterben.«
»Es ist an der Zeit, Alex.«
»Noch nicht!«, schrie sie ihn an. Dann senkte sie wieder
die Stimme. »Es ist nicht richtig, Jake.«
Er wusste nicht genau, ob sie damit seinen Tod meinte oder die
wilden Pelzlinge zu infizieren, und er wollte seine letzten
Kräfte nicht darauf verschwenden, sie zu fragen. »Die Ranke
wird einen… Becher formen. Bring ihn mir.«
»Nein«, weigerte sich Alex. Und dann: »Oh
Jake!«
»Es muss sein.« Er schloss die Augen.
Zeit verging. Wie viel genau, wusste er nicht. Er war doch unter
diesen Umständen nicht etwa eingeschlafen? Und doch musste es
geschehen sein. Er schlug die Augen wieder auf, weil jemand ihn
hochhob. Irgendwie war es beinahe dunkel.
»Was?… Wie…?«
»Psst, Jake, sei ruhig.« Lucy. Wie kam Lucy hierher? Sie
hatten sie im Lager am Fluss zurückgelassen! Und doch konnte er
im Zwielicht gerade noch ihr schmales, sorgenvoll gerunzeltes Gesicht
erkennen, während sie neben ihm ging und Kent ihn auf seinen
Armen zum Geländewagen trug. Es war der andere
Geländewagen, der, den sich Kent Landers und Kueilan Yuen von
Julian Martins Armee »ausgeliehen« hatten, nicht der, mit
dem Ben sie hergebracht hatte.
Jake hob den Kopf gerade weit genug an, um über Kents
Schulter blicken zu können. Die Ebene war leer – keine
Pelzlinge, keine Ranke, kein Computer. »Alex!«
»Sie ist schon wieder zurück im Lager. Du hast
geschlafen.«
»Man hat mich betäubt!«, entgegnete er wütend.
Er erinnerte sich an Alex, wie sie ihm das Wasser reichte, erinnerte
sich an den Schmerz in ihren Augen, nachdem sie die Wahrheit erraten
hatte. An den Erste-Hilfe-Kasten, aus dem Alex Verbandszeug genommen
hatte, um Bens Kopf zu verbinden. Erste-Hilfe-Kästen enthielten
auch Beruhigungsmittel.
»Sie liebt dich, als wäre sie deine Tochter«, sagte
Lucy.
»Sie ist die MateR! Sie sollte niemanden so sehr lieben, dass
es unsere Kriegsstrategien zunichte macht!«
Ruhig entgegnete Lucy: »Ja. Dir ist das nie
passiert.«
Kent hob Jake auf den Rücksitz des Geländewagens, dann
stiegen er und Lucy vorne ein. Als der Wagen davonfuhr, blieben auf
der kahlen Ebene nur zwei leere Gruben zurück.
Alex saß ein wenig abseits von den anderen am Lagerfeuer und
wartete. Es war kein großes Feuer, nur eine kleine Flamme auf
einem großen, flachen Felsen dicht vor dem Überhang, die
jeden Augenblick zu verlöschen drohte. Kent fütterte sie
beständig mit kleinen Zweigen. Wann immer der Wind drehte, blies
er Rauch in die flache Schutzhöhle, aber es war nicht genug, um
wirklich zu stören. Lucy hatte das Feuer aus irgendeinem inneren
Bedürfnis heraus entzündet, und niemand hatte Einwände
erhoben.
Ein größeres Feuer brannte einen halben Kilometer
flussaufwärts am anderen Ufer, wo die Pelzlinge taten, was auch
immer Pelzlinge des Abends so taten.
Unvermittelt verkündete Alex: »Ich gehe jetzt.«
Kueilan Yuen erhob sich, und Alex fügte gereizt hinzu:
»Allein.«
»Nur ein Stückchen«, sagte Kueilan mit ihrer
angenehmen, beruhigenden Stimme.
»Nein.« Das war ihre Aufgabe.
Alex hob die Taschenlampe auf, dimmte das Licht und machte sich
daran, den Fluss zu durchwaten. Er war seicht, weil es in letzter
Zeit relativ wenig geregnet hatte. Und doch empfand sie einen
Augenblick Panik, als das Wasser ihr erst bis zu den Knien, dann zu
den Oberschenkeln und schließlich bis zur Taille reichte. Das
hier war ein Gebirgsfluss – sie musste jederzeit mit einer
plötzlichen heftigen Strömung rechnen, die sie von den
Füßen riss.
Eine kräftige Hand packte sie am Ellbogen.
»Verdammt noch mal, ich sagte allein!«
»Tja, schade«, hörte sie Karim Mahjoubs Stimme.
»Hier bin ich nun mal.«
Sobald sie aber das gegenüberliegende Ufer erreicht hatten,
ließ er sie allein weitergehen. Keine Männer –
menschliche Männer empfanden die wilden Pelzlinge eindeutig als
Bedrohung. Sie konnte nur hoffen, dass sie Frauen bloß als
verachtenswert betrachteten.
Alex zitterte. Weil sie durchnässt der Abendluft ausgesetzt
war? Sie hoffte nicht. Am Feuer war es ihr so vorgekommen, als
würde sie erste Symptome verspüren. Sie hoffte also, dass
sie inzwischen ansteckend war.
Sie ging am Flussufer entlang und ertastete sich ihren Weg
zwischen den schlüpfrigen Steinen. Die ausgewaschene
Böschung neben ihr war manchmal steil, manchmal zu einem Haufen
Schutt zusammengebrochen. Einmal stolperte Alex und fiel zu Boden,
und als sie sich wieder aufgerappelt hatte, konnte sie nur noch
verschwommen
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