Crossfire 2: Feuerprobe
Arelo Huntingdon, und zwei Kinder
wurden von einem Löwen angefallen. Danach hat man uns Kinder
immer ziemlich gut beaufsichtigt. In Mira wurde ständig gebaut,
Formschaum gesprüht, Rohre verlegt und natürlich immer
wieder mit neuen genetisch angepassten Versuchsanpflanzungen
experimentiert.«
Bei der Erinnerung lächelte sie vor sich hin, während
sie in Julians Armen auf dem schmalen Bett lag. Sein Schlafzimmer war
ebenso nüchtern eingerichtet wie das Wohnzimmer seines
Gästeapartments. Keine Bilder, keine Hologramme, nicht einmal
eine Musikanlage. Aber die Fenster standen offen und ließen die
unerwartet warme Nacht herein, und sie konnte die Sterne sehen.
»Wusstest du, dass Alexandra die weibliche Form des Namens
eines großen Feldherrn ist?«, fragte er.
»Tatsächlich?« Sie zog mit dem Finger langsam
Kreise auf seinem Bauch.
»Du wurdest nach Alexander dem Großen benannt, der
weinte, als es keine Welten mehr zu erobern gab.«
»Es gibt stets neue Welten zu erobern«, erwiderte
Alex.
»Du sprichst wie ein wahrer Pionier. Dein Name bedeutet
›Beschützer der Männer‹.«
»Das wusste ich nicht«, sagte Alex, und sie hatte das
Gefühl, dass sie das stets sagte. Ihre Kreise wurden
drängender.
»Was ist mit deinen Eltern geschehen?«, fragte er.
»Sie starben, als ich zehn war. An der Weiler’schen
Krankheit. Zu dieser Zeit hatten sich die Mikroorganismen auf
Greentrees an unsere Körper angepasst und fingen an, sie als
Wirte zu benutzen. Die zweite Dekade der Siedlung nannten wir
›Jahre der Seuchen‹. Wir konnten die Impfstoffe nicht ganz
so schnell entwickeln, wie Greentrees neue Krankheiten
hervorbrachte.«
In der Finsternis streichelte Julian durch ihr Haar. »Woran
ist dein Ehemann gestorben?«
»An Dummheit.«
»Du hast nach seinem Tod deinen Mädchennamen wieder
angenommen. Warum?«
Sie antwortete nicht darauf.
»Du möchtest nicht über ihn reden?«
»Nein, aber ich werde es trotzdem tun.« Sie rückte
ein wenig von Julian ab. Wie sollte sie ihre Ehe in wenigen
Sätzen zusammenfassen? Da war der anfängliche Nervenkitzel
gewesen, sowohl aus Leidenschaft als auch aus Wagemut ethnische
Grenzen zu überschreiten. Dann die zunehmende Erkenntnis, dass
Kamal nicht der war, für den sie ihn gehalten hatte. Danach die
nutzlosen und mühevollen Jahre, in denen sie versucht hatte, ihn
zu verändern und zu dem Mann zu machen, den sie gewollt hatte.
Zwischendurch die gelegentlichen frohen Stunden, die kleinen
morgendlichen Gewohnheiten, die Augenblicke erzwungener
Freundlichkeit, wenn sie beide es »versuchten« – und
auch die heftigen Streitereien. Er liebte die Gartenarbeit. Er hatte
ein wundervolles Lächeln gehabt. Er mäkelte an ihr herum
und regte sich später über sie auf, weil er die selbst
gesteckten Ziele seiner wissenschaftlichen Karriere nicht erreichte
und sie zufrieden war mit ihrer Arbeit und er nicht. Weil sie ihm das
überzogene Selbstbild, das er von sich hatte, nicht
bestätigte.
Schließlich erklärte sie ausdruckslos: »Kamal war
Genetiker. Wir waren fünf Jahre verheiratet. Er ertrank in einem
Bergwerk.«
Julian sagte nichts und wartete.
»Du willst es wirklich wissen, nicht wahr? Ich glaube, du
weißt es schon.«
»Ich weiß, was man mir erzählt hat. Ich würde
es gern von dir hören.«
»Wir stritten uns oft«, sagte sie beinahe wütend.
»Kamal hatte viele Schwierigkeiten bei der Arbeit.
Schließlich erzeugte er eine Weizenart, die an die
Erfordernisse von Greentrees angepasst sein sollte, die er aber nicht
ausreichend getestet hatte. Tatsächlich hatte er kaum einen Test
daran durchgeführt. Sie verbreitete sich über die
Versuchspflanzungen hinaus, sprang auf eine einheimische Grassorte
über, und die Kreuzung, die daraus entstand, erwies sich als
tödlich für ein insektenartiges Tier, das sich von dem Gras
ernährte. Es hätte eine ganze Nahrungskette zerstören
können. Die Ökologen konnten es gerade noch rechtzeitig
eingrenzen. Kamal wurde von der Forschung abgezogen und erhielt
stattdessen kleine technische Aufgaben, bei denen man nichts falsch
machen konnte. Er war empört, und wir stritten noch mehr. Eines
Tages, als er gerade Proben aus einem unterirdischen Wasservorkommen
in einem ehemaligen Bergwerk entnahm, ertrank er.«
»War es Selbstmord?« In Julians Tonfall schwangen weder
Mitgefühl noch Vorwurf mit. Also konnte Alex diese Frage
beantworten.
»Ich weiß es nicht. Vielleicht.«
»Du gibst dir die Schuld.«
»Ja. Nein. Warum reden wir
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