Crossfire 2: Feuerprobe
die dagegen Einwände
hatten; zwischenjungen Frauen, die an den alten Gebräuchen
festhielten, und ihren Schwestern, die das nicht wollten. Das Leben
in der Medina blieb Alex verschlossen. Aber in der Gruppe von Frauen,
der auch Mrs Shanti angehörte, nahm sie keine Zeichen von
Anspannung wahr. Sie genossen den Abend sichtlich.
Star Chu und einige junge Chinesen kamen vorbei. Sie trugen alle
Tätowierungen auf den Wangen, diese lächerlichen
Nachahmungen der lächerlichen Tätowierungen der
lächerlichen Cheyenne, Alex roch die neuen Parfüms der Chu
Corporation, Düfte, die so bezaubernd waren wie die Nächte
von Greentrees. Keiner der Chinesen lächelte.
Alex und Julian saßen an der einen Seite der Bühne,
gemeinsam mit Ashraf und Jake. Hätte man Lau-Wah nicht ermordet,
überlegte Alex, wäre er dann an diesem Abend dabei
gewesen?
Sie bemerkte, wie Julians Blicke hin- und herflogen und er jedes
Grüppchen einer Begutachtung unterzog. Ein kleines
Mehrkanalfunkgerät steckte in seinem linken Ohr.
Das Innere des Theaters war ebenso schlicht wie das
Äußere: in drei Ebenen aufgeschäumte Sitzreihen aus
Formschaum vor einer einfachen Bühne. Einige belaubte Zweige
steckten aufrecht in Eimern und deuteten einen Wald an. Alex war
nicht sonderlich beeindruckt.
»Sie fangen zu spät an«, beklagte sie sich bei
Julian.
»Duncan fängt immer zu spät an. Er glaubt, das
macht es spannender.« Seine grünen Augen blieben keinen
Moment still. Was hörte er über sein Funkgerät?
Alex wandte sich von ihm ab. Sie war entschlossen, diesen Macbeth zu genießen. Hoffentlich musste man nicht allzu
viel über die Geschichte und die Kulturen der Erde wissen, um
ihn zu verstehen.
Die Lichter wurden heruntergedreht, und ein einzelner Scheinwerfer
erstrahlte auf der Bühne. Ein blutender Mann taumelte ins
Rampenlicht. Alex riss die Augen auf. Es sah so echt aus! Aber Julian
neben ihr murmelte: »Er hat schon wieder die Szene neu
arrangiert.«
»Psst!«
Vier Männer traten auf, gekleidet in grobe braune
Gewänder. Einer von ihnen trug eine kleine Eisenkrone. Alex
erkannte keinen von ihnen. Duncan hatte nach Leuten gesucht, die sich
inmitten der Vorbereitungen zu einem Krieg lieber der Wiederbelebung
einer altertümlichen terranischen Kunstform widmeten. Er hatte
seine Teilzeitschauspieler unter Technikern, Lehrlingen,
Krankenschwestern und Bauern anwerben müssen. Alex wusste, dass
Duncan keine große Auswahl gehabt hatte. »Was ist das
für ein blutiger Mann?«, rief der Mann mit der Krone, und
Alex fühlte sich nicht gerade entrückt an einen anderen Ort
und in eine andere Zeit.
Dennoch war die Handlung verständlich, trotz der
ausgeschmückten Sprache. Der König, der ebenfalls Duncan
hieß, befand sich mitten in einem Krieg. Einer seiner Krieger,
Cawdor, hatte ihn verraten und sollte hingerichtet werden. Macbeth
war ein anderer von Duncans edlen Kämpfern und sollte Cawdors
Titel erhalten. Alex war stolz auf sich, weil sie der Handlung folgen
konnte.
Die Krieger traten ab, die Beleuchtung änderte sich, und drei
fantastische Gestalten erschienen, in Lumpen gekleidet und mit
Schuppen und Flügeln wie chinesische Drachen. Alex spannte sich
an.
Aber die drei sollten anscheinend keine Chinesen darstellen, nicht
einmal irgendwelche anderen wirklichen Wesen. Sie sprachen von Magie
und huschten über die Bühne. Einige Leute im Publikum
kicherten. Noch mehr aber rutschten unruhig auf ihren Sitzen hin und
her.
Und dann trat Duncan auf, mit einem anderen Mann, der eine
Rüstung trug. »Einen solchen Tag, so schlimm und schön
zugleich, hab ich noch nicht erlebt«, sagte Duncan mit seiner
melodischen Stimme, die angespannt klang vor Hoffnung und Bedauern,
durchwoben von Schmerz und Befriedigung. Alex verstand seine Zweifel:
War es ein guter Tag oder ein fürchterlicher? Habe ich das
Richtige getan? Wie wird es enden? Wenn es nur anders gekommen
wäre. Ein Tag, so schlimm und schön
zugleich…
Ja.
Das Publikum verstummte. In Duncans Gegenwart wirkten die Hexen
nicht länger albern, sondern bedrohlich. Sie erzählten ihm
von künftigen Dingen, und Alex erschauderte.
»Wenn ihr der Zeiten Saat durchschaun
Und sagen könnt, welch Samenkorn wird wachsen, welches
nicht;
So sprecht zu mir…«
Korn. Kamal. Und wissen, was geschehen wird und was
nicht…
Wenn ihr das nur bei den Pelzlingen oder Hope of Heaven
gelänge! Alex schaute Julian an. Der schaute starr und
ausdruckslos nach vorn.
Mit dieser Stimme, die ihr das
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