Crossfire 2: Feuerprobe
Lernprogramme in der
Schule erklärt.
»Ich glaube, die meisten Theaterstücke zeigen eher auf,
wie das Leben sein sollte, und nicht, wie es wirklich ist.« Sie
hörte Belustigung in seinem Tonfall.
»Es ist ein großes Ereignis für Mira.«
»Das weiß ich«, erwiderte er, und sein Tonfall war
wieder ernst. »Ich habe den Sicherheitsdienst für Duncans
Theater eingeteilt. Da sind zu viele Leute auf einem Fleck.«
Sie stützte sich auf einen Ellbogen. »Befürchtest
du etwa, dass Hope of Heaven…?«
»Sie werden nicht die Gelegenheit dazu bekommen«,
entgegnete Julian so entschieden, dass sie nichts mehr zu sagen
wusste. »Aber du hast Recht: Wir müssen dorthin. Verdammt,
Duncan ist mit seinen Albernheiten schon wieder der große
Sieger.«
Alex hatte nicht gewusst, dass es ein Wettstreit war.
Das neue Mira City Theater war ein hässlicher Kasten aus
Formschaum, die Standardbauweise von Gebäuden der zweiten
Generation. Alex hatte widerstrebend die Mittel bewilligt, die Duncan
angeblich für die Innenausstattung benötigt hatte.
Allerdings waren diese überraschend bescheiden gewesen.
Anscheinend wurde »Shakespeare« oft auf einer kahlen
Bühne mit minimaler Beleuchtung aufgeführt. Umso
besser.
Sie bemerkte die starke Präsenz des Sicherheitsdienstes vor
dem Theater. Julians neue Truppen trugen seltsame Anzüge von
seinem Schiff: nicht die schwarz-goldenen Uniformen, sondern
dünne, elastische Kleidungsstücke mit schweren Stiefeln,
Gürteln und Helmen. Die großen Helme ließen sie
bedrohlich aussehen. Als sie ihn fragte, erklärte Julian knapp:
»Kampfanzüge. Viel Technik. Die uniformierten Einheiten
sind gut ausgestattet.«
»Es gibt auch Einheiten ohne Uniform?«
»Oh ja. Und du solltest sie nicht erkennen
können.«
Falls wirklich Soldaten ohne Uniform im Theater waren, konnte Alex
sie tatsächlich nicht ausmachen. Der Abend war warm, und die
weiblichen Theatergäste – ausgenommen die arabischen und
ältesten Frauen – hatten ihre Untergewänder
weggelassen. Stolen in Gelb, Purpur und Kobaltblau waren so gebunden,
dass sie das Dekolletee zur Schau stellten und Beine, Schultern und
Bauch frei ließen. Die jüngeren Männer trugen
ebenfalls Stolen, während die älteren lieber bei ihren
Threadmores geblieben waren oder lockere Kombinationen aus Hosen und
langen Kitteln trugen, die bei warmem Wetter sehr angenehm zu tragen
waren. Doch selbst diese einfache Kleidung war verziert mit altem
Familienschmuck von der Erde. Andere trugen Ketten oder Haarspangen
mit geschliffenen einheimischen Steinen. Viele Araber hatten ihre
fließenden weißen Gewänder angelegt, und einige
Chinesen trugen sorgfältig aufbewahrte Jacketts oder Cheongsams
in prächtigen Farben, so schmuckvoll bestickt, wie Alex es sich
nie hätte vorstellen können.
Sie trug ein Diamanthalsband, das ihrer Mutter gehört hatte.
Sie hatte sich die Haare gewaschen und gekämmt und im letzten
Augenblick noch eine Blume hineingesteckt. Ein anerkennender Blick
Julians hatte sie für diese Mühe belohnt.
Alex besah sich die Menge. Es waren keine Quäker darunter,
natürlich, zumindest keine der älteren Leute, die sie vom
Sehen her kannte. Siddalee hatte erzählt, dass einige der
jüngeren Quäker kommen wollten, ungeachtet der Regel der
»Schlichtheit«. Und es waren weniger Chinesen da, als sie
erwartet hatte. Bei denen, die anwesend waren, glaubte Alex einen
Hauch von Trotz in ihrem Auftreten zu erkennen: Schaut her, wir
sind ebenso Mitbürger von Mira wie jeder andere!
Nun, die meisten von ihnen waren das.
Niemand äußerte sich dazu, dass sie gemeinsam mit
Julian erschien, oder zeigte sonst eine Reaktion darauf. Vermutlich
hielten sie es einfach für einen offiziellen Auftritt der MateR
und des Verteidigungsbeauftragten. Alex wusste nicht, ob sie
darüber erfreut oder enttäuscht sein sollte.
»Hallo, Bürgermeister Shanti«, sagte Julian.
»Madame Shanti.«
»Hallo«, erwiderte Ashraf. Er trug die wallenden
weißen Gewänder der Araber. Seine Frau ging mit einigen
weiteren arabischen Frauen hinter ihm. Sie lachten unter ihren
Schleiern. Duncan hatte Vorbereitungen für die arabischen Frauen
getroffen, die getrennt von den Männern sitzen wollten.
Alex fragte sich, wie viele heftige Diskussionen es in der Medina
gegeben hatte, zwischen Töchtern, die unverschleiert bei ihren
angloamerikanischen Freunden saßen, und Müttern, die das
verbieten wollten; zwischen Ehefrauen, die die Aufführung
besuchen wollten, und ihren Männern,
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