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Crossfire 2: Feuerprobe

Crossfire 2: Feuerprobe

Titel: Crossfire 2: Feuerprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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gab
keine Ordnung, keine Regeln und keine Höflichkeiten –
außer allein bei Julian.
    Er blieb zwei Tage und zehn Stunden am Tag vor Ort, nahm
gelegentlich geflüsterte Berichte seiner Offiziere entgegen,
aber verließ die Halle nie. Weder aß er, noch trank er.
Er war ruhig und höflich und unerschütterlich davon
überzeugt, dass er das Richtige getan hatte.
    »Sie haben unbekannte Lebewesen vernichtet, die vielleicht
sogar unsere Verbündeten waren!«, rief eine Frau. Sie war
ungekämmt und schmutzig und ganz offensichtlich gerade eben erst
von einer entfernt liegenden Sammelstelle zurückgekehrt.
»Commander Martin, Sie sind ein Mörder! Wir auf
Greentrees morden nicht!«
    »Madam«, erwiderte Julian mit seiner leisen,
selbstsicheren Stimme, »ich empfinde großes Unbehagen bei
Ihrer Wortwahl. Ich habe Mira City verteidigt, damit es keinen Mord an unseren Mitbürgern gibt – womöglich an allen Bürgern von Greentrees.«
    »Und Sie haben auch die Ranke Beta zerstört!«, rief ein Mann. »Unser einziges
Kriegsschiff! Was ist, wenn die Pelzlinge
zurückkehren?«
    »Die Feuerprobe ist auch ein Kriegsschiff und steht zu
unserer Verteidigung bereit. Sie ist ebenso gut und vielleicht sogar
noch besser als die Ranke Beta.«
    »Sie haben ohne Ermächtigung die Übertragungen von
MiraNet blockieren lassen!«
    »Meine Ermächtigung waren die Erfordernisse des Krieges.
Ich wusste nicht – und das wusste niemand von uns! –,
inwieweit der Feind unsere Verbindungen überwacht. Je weniger
sie über das erfuhren, was wir taten, umso besser für uns
alle.«
    Nach einigen Stunden mit derartigen Wortwechseln bemerkte Alex
eine Veränderung in Julians Verhalten. Er blieb so ruhig und
umgänglich wie zuvor, aber er antwortete seinen Kritikern nicht
mehr. Stattdessen ließ er andere Leute für sich
antworten.
    »Er musste eine Entscheidung treffen«, sagte Hussein
Akbar. »Er konnte unser Schiff opfern oder auf ihren Angriff
warten und die Stadt riskieren, und er hat die richtige Entscheidung
getroffen. Was war wichtiger – die Ranke Beta oder Mira
City?«
    »Aber er…«
    »Was war wichtiger«, rief eine Frau, »Mira City und
die Leben all unserer Kinder oder die Außerirdischen auf diesem
Schiff? Ich weiß, wofür ich mich entschieden hätte.
Ich würde sogar dich hochjagen, wenn du meine zwei Kinder
bedrohst!«
    Kinder. Alex erinnerte sich daran, wie Julian erstmals seine
Evakuierungs- und Verteidigungspläne vorgestellt hatte. Immer
wieder hatte er die Kinder von Mira City erwähnt: die Sicherheit
der Kinder, die Ernährung der Kinder, der Schutz der Kinder vor
den Feinden und die Rückkehr der Kinder, nachdem der Angriff
abgewehrt worden war. Hatte er auch diesmal die Kinder zur Sprache
gebracht? In den Stellungnahmen gegenüber seinen Kritikern oder
in seinen nüchternen Kommentaren, die er hin und wieder
geäußert hatte? Alex erinnerte sich nicht.
    Ein Ratsmitglied behauptete: »Commander Martin haben wir es
zu verdanken, dass damals bei der Übung der Mob aus Hope of
Heaven abgewehrt werden konnte. Sie hätten die ganze Stadt
niedergebrannt! Wir hätten unsere Heime verloren, unsere
Geschäfte – einfach alles!«
    Ein anderer, aus den hinteren Reihen, erwiderte lahm:
    »Aber der Preis dafür ist… ist der: Commander
Martin hat inzwischen hier in Mira City als Einziger das
Sagen.«
    »Das habe ich nicht«, widersprach Julian sofort.
»Wenn der Rat bestimmt, dass ich meine Stellung als
Verteidigungsbeauftragter niederlegen soll, dann werde ich das sofort
tun.«
    Es folgte Schweigen. Dann ergriff Ashraf Shanti das Wort:
»Ich glaube, wir verdanken Julian Martin unser Leben.«
    Das Schweigen, das diesen Worten folgte, dauerte noch länger,
aber die Atmosphäre hatte sich verändert. Alex erkannte,
dass die Worte des normalerweise so unentschlossenen
Bürgermeisters einen beachtlichen Einfluss hatten, vor allem auf
die arabischen Geschäftsleute, die jetzt wieder ihrem Handel in
der Stadt nachgehen konnten. Unbemerkt war die Grundstimmung der
Versammlung gekippt.
    Und so blieb es auch. Es wurde weiterhin Kritik an Julian Martins
Verhalten geübt, aber die Kräfte, die den Commander von der
Erde unterstützten, wuchsen stündlich. Er hatte sich erneut
durchgesetzt.
    Und wie stand es bei Alex? Ich vertraue ihm, sagte sie
sich. Aber gleichzeitig dachte sie auch an die Außerirdischen
– Pelzlinge oder Ranken? –, die gestorben waren, und an die
jungen Dissidenten aus Hope of Heaven. War es etwa das, was der Krieg
bewirkte?

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