Crossfire. Offenbarung: Band 2 Roman (German Edition)
Lippen zu spüren. Ich vermisste seine leicht besitzergreifende Fürsorge.
Doch Montagmorgen verließ ich als neue Eva die Wohnung. Mit rauchig grau geschminkten Augen, rosa Lippen und meinem neuen Stufenschnitt hatte ich das Gefühl, zumindest den Tag über so tun zu können, als wäre ich eine andere. Eine Frau, die nicht einsam und verlassen, wütend und am Boden zerstört war.
Kaum trat ich vor die Tür, sah ich den Bentley, aber Angus machte sich nicht mal die Mühe auszusteigen, da er wusste, ich würde nicht mitfahren. Es verwirrte mich, dass Gideon eine solche Zeitverschwendung zuließ, nur wegen der vagen Möglichkeit, ich könnte mich irgendwohin fahren lassen. Das ergab keinen Sinn, es sei denn, Gideon fühlte sich schuldig. Mittlerweile waren mir Schuldgefühle zutiefst zuwider, da sie so viele meiner Mitmenschen unglücklich machten. Ich wünschte, sie alle würden diese Schuldgefühle einfach abschütteln und weitermachen. Genau so, wie ich es gerade versuchte.
Der Vormittag bei Waters Field & Leaman verflog rasch, da ich Will, den neuen Assistenten, weiter einarbeiten und gleichzeitig meine eigene Arbeit erledigen musste. Glücklicherweise hatte er keinerlei Scheu, Fragen zu stellen, denn so kam ich nicht dazu, die Sekunden, Minuten und Stunden zu zählen, seit ich Gideon zum letzten Mal gesehen hatte.
»Du siehst gut aus, Eva«, bemerkte Mark, als ich zum ersten Mal an diesem Tag in sein Büro kam.
»Geht es dir auch gut?«
»Eigentlich nicht. Aber ich komme klar.«
Er lehnte sich vor und stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Steven und ich haben auch mal miteinander Schluss gemacht, nach etwa anderthalb Jahren unserer Beziehung. Einige Wochen lang hatten wir eine sehr schwierige Phase, sodass wir beschlossen, uns lieber zu trennen. Es war verflucht schwer«, sagte er mit Nachdruck. »Jede Minute eine einzige Qual. Allein morgens aufzustehen kostete mich unmenschliche Anstrengung, und ihm ging es genauso. Wie auch immer … Solltest du etwas brauchen …«
»Danke. Wenn du mir was Gutes tun willst, dann überhäuf mich mit Arbeit. Ich darf einfach keine Zeit zum Nachdenken haben.«
»Das dürfte kein Problem sein.«
In der Mittagspause gingen Will und ich mit Megumi in einer nahe gelegenen Pizzeria essen. Megumi informierte uns über den neuesten Stand ihrer Beziehung mit ihrem Blind Date, und Will erzählte von seinen Ikea-Abenteuern, da er und seine Freundin gerade ihr Loft einrichteten. Ich war nur froh, dass ich mit meinem Wellnesstag etwas zur Unterhaltung beisteuern konnte.
»Wir wollen dieses Wochenende in die Hamptons fahren«, erzählte Megumi, als wir zum Crossfire Building zurückkehrten. »Die Großeltern meines Freundes haben da ein Haus. Ist das nicht cool?«
»Allerdings.« Ich ging neben ihr durch die Drehtür. »Beneidenswert, dass du der Hitze hier entfliehen kannst.«
»Ja, nicht?«
»Besser als Möbel aufzubauen«, murmelte Will und folgte einer Gruppe zu einem der Aufzüge. »Ich kann’s kaum erwarten, endlich fertig zu sein.«
Die Türen schlossen sich, gingen dann jedoch wieder auf, und Gideon betrat den Aufzug. Die vertraute, deutlich spürbare Energie zwischen uns warf mich fast um. Ein Schauer lief mir den Rücken hinunter, und plötzlich bekam ich am ganzen Körper Gänsehaut. Meine Nackenhärchen stellten sich auf.
Megumi warf mir einen Blick zu. Ich schüttelte den Kopf. Angestrengt mied ich Gideons Blick, sonst hätte ich vielleicht etwas Unüberlegtes getan. Ich sehnte mich verzweifelt nach ihm, und es war so lange her, dass er mich berührt hatte. Früher hatte ich das Recht, ihn anzufassen, nach seiner Hand zu greifen, mich an ihn zu lehnen, mit den Fingern durch seine Haare zu fahren. Es tat unerträglich weh, dass ich all dies nicht mehr tun durfte. Ich musste mir auf die Zunge beißen, um nicht aufzustöhnen vor lauter Qual, ihm so nahe zu sein.
Zwar hielt ich den Kopf gesenkt, doch spürte ich seinen Blick auf mir. Ich sprach weiter mit meinen Kollegen und konzentrierte mich krampfhaft auf die Unterhaltung über Möbel und die Kompromisse, die notwendig waren, wenn Mann und Frau zusammenwohnten.
Während wir nach oben fuhren und immer wieder hielten, nahm die Anzahl der Menschen im Aufzug ab. Die ganze Zeit war mir mehr als bewusst, wo Gideon stand, wusste ich doch genau, dass er eigentlich nie in so volle Aufzüge einstieg. Insgeheim mutmaßte, hoffte und betete ich, dass er mich nur sehen und mit mir zusammen sein wollte, und sei es auf diese
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