Crush Gier
Frau Doktor?«
»Weil dich die Erdanziehungskraft nicht mehr auf dem Stuhl halten würde, wenn du nur fünf Kilo weniger wiegen würdest.«
Er gab sich alle Mühe, nicht mehr so zu zappeln.
»Warum erzählst du nicht einfach, was Wesley gesagt hat?«, schlug sie vor.
Wieder wandte er den Kopf ab und blickte über ihr Land. Es war ein hübsches Fleckchen Erde, wie es ihm auch gefallen hätte,
hätte er es sich leisten können, was niemals der Fall sein würde. Er war kein Materialist und nie einer gewesen. Gier gehörte nicht zu seinen schlechten Eigenschaften. Doch so eine Ranch zu besitzen wäre wirklich schön.
Auf der Weide hinter dem Zaun standen vereinzelt Bäume, gröÃtenteils Pekannussbäume. Der diagonal durch die Weide flieÃende Bach war gesäumt von hohen Pappeln und Weiden, die sich leise im Südwind wiegten. Die Brise kühlte die Abendluft und machte es angenehm, drauÃen zu sitzen.
Nachdem er eine Woche lang im Krankenhaus eingesperrt gewesen war, hatte er ihren Vorschlag, auf der Terrasse hinter dem Haus zu essen, dankbar angenommen. Trotzdem hatte er das Mahl im Freien längst nicht so genossen wie erhofft. Das Telefonat mit Oren war ihm eindeutig auf den Magen geschlagen.
»Grace Wesley ist heute um halb fünf aus ihrer Schule gekommen«, begann er. »In den letzten Wochen musste sie, genau wie alle anderen in der Fakultät, das nächste Schuljahr vorbereiten. Nur dass Grace äuÃerst gewissenhaft ist. Darum verlässt sie normalerweise das Gebäude als Letzte, so wie heute auch. Als sie in ihr Auto stieg, saà Lozada auf dem Rücksitz.«
Rennie schnappte nach Luft und hielt dann den Atem an.
»Genau«, nickte er. »Er hat sie fast zu Tode erschreckt.«
»Ist sieâ¦Â«
»Ihr ist nichts passiert. Er hat ihr kein Haar gekrümmt. Er hat nur geredet.«
»Und was hat er gesagt?«
»Er wollte wissen, wo du steckst, wo ich stecke.«
»Weià sie das?«
»Nein, und das hat sie ihm auch gesagt. Aber offenbar hat er ihr nicht geglaubt.« Er sah Rennie in die Augen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, als wollte sie einen Schutzwall gegen das errichten, was er gleich sagen würde. »Er hat ihr erklärt, dass es in ihrem eigenen Interesse wäre, wenn sie ihm alles erzählt, was
sie weiÃ, und als sie gesagt hat, sie wisse nichts, hat er nur bemerkt, wie hübsch ihre Töchter seien.«
Rennie lieà den Kopf nach vorn in ihre Hand sinken und massierte mit Zeige- und Mittelfinger ihre Schläfe. »Bitte sag nicht, dass â«
»Nein, auch den Mädchen ist nichts passiert. Es war eine Warnung. Eine kaum verhohlene Drohung. Die man nicht ignorieren sollte, denn er weià praktisch alles über sie. Ihre Namen, ihre Lieblingsspiele, mit wem sie befreundet sind, wohin sie gern gehen.
Grace fing an zu weinen. Sie ist eine starke Frau, aber wie wir alle hat sie einen schwachen Punkt, und das ist ihre Familie. Oren hat gesagt, sie sei nicht eingeknickt, sie hätte ihn weder angefleht noch angebettelt. Aber irgendwie muss sie ihn davon überzeugt haben, dass sie wirklich nichts weiÃ. Er ist aus ihrem Auto heraus und in seines eingestiegen. Bevor er weggefahren ist, hat er ihr zum Abschied zugewinkt.
Grace hat Oren sofort von ihrem Handy aus angerufen. Ein paar Minuten später waren die Mädchen daheim und unter Polizeischutz. Grace ebenfalls. Oren war ⦠na, du kannst es dir vorstellen.«
Sie schwiegen. Die Grillen stimmten sich für die Nacht ein.
»Er möchte, dass Grace mit den Mädchen zu ihrer Mutter nach Tennessee fährt«, fuhr er fort. »Noch während er mit mir telefoniert hat, hat er angefangen, ihre Koffer zu packen. Allen Protesten zum Trotz. Ich habe die Mädchen im Hintergrund herumlaufen und Grace sagen gehört, dass er sich geschnitten hätte, wenn er glaubte, dass sie ihn allein lassen würde. Und schon gar nicht würde sie sich von einem mörderischen Irren wie Lozada aus ihrem Haus jagen lassen.«
»Was meinst du dazu?«
»Er ist irre, das steht fest.«
»Du weiÃt genau, was ich meine. Sollte sie mitfahren?«
Er zuckte mit den Achseln. »Ich kann sie beide verstehen.«
»Ich auch. Nachdem ich Grace kennen gelernt und die beiden zusammen erlebt habe, überrascht es mich nicht, dass sie sich weigert, ihren Mann in so einer Krise allein zu
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