Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Crush Gier

Crush Gier

Titel: Crush Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
Vom Netzwerk:
konnte.
    Ihre Behauptung, sie sei nicht wütend, war gelogen. Sie war wütend. Sie kochte vor Wut. Aber sie war auch verletzt, und das irritierte sie an der ganzen Geschichte am meisten – zu wissen, dass sie immer noch verletzlich war. Sie hatte geglaubt, immun gegen diese Gefühle zu sein. Ganz offensichtlich hatte sie sich getäuscht.
    Immer wieder hatte sie ihn zu entmutigen versucht, doch keine noch so schroffe Abfuhr hatte ihn abschrecken können. Irgendwann hatte sie seine Ausdauer zu bewundern begonnen und sich durch seine halsstarrige Werbung geschmeichelt gefühlt. Insgeheim hatte sie sich gefreut, als sich herausstellte, dass er der Fahrer des rasanten Pick-ups gewesen war. Als er den Hut in den Nacken geschoben und gestanden hatte: »Sie sind nicht gut für mein Ego, Dr. Newton«, da hatte sie ein unverkennbares Ziehen und Flattern in ihrer Magengrube gespürt.
    Jetzt hatte sich herausgestellt, dass er keineswegs ein hartnäckiger Verehrer, sondern nur ein unbeirrbarer Bluthund war, der die Spur einer Verdächtigen aufgenommen hatte.
    Sein Betrug hatte sie aus ihrem Dornröschenschlaf gerissen. Die Zeit hatte die schmerzhaften Erinnerungen verblassen lassen. Im Lauf der Jahre waren die qualvollen Wunden auf ihrer Seele verschorft. Ihre Entschlüsse waren ihr nicht mehr so wichtig erschienen. Wick hatte ihr mit seinem falschen Spiel auf grausame Weise wieder vor Augen gehalten, warum sie ihre Entschlüsse
damals gefasst hatte. Jetzt war sie wieder im Gleis und entschlossener als je zuvor. Eigentlich musste sie ihm dankbar sein.
    Trotzdem war sie nicht dankbar dafür, dass sie seinetwegen von Gefühlen und Empfindungen heimgesucht wurde, denen sie sich lange verweigert hatte. Sie hasste ihn, denn er war schuld daran, dass sie diese Gefühle vermisste, dass sie diesen Gefühlen nachgeben wollte. Gemeinsam mit ihm.
    Sie knallte die halb volle Teetasse auf den Couchtisch und rutschte tiefer in die Polster. Sobald sie die Augen schloss, erlebte sie wieder, wie fantastisch sie sich gestern Nachmittag auf Beade gefühlt hatte. Mit der heißen Sonne und dem Wind auf den Wangen. Im Rausch der Geschwindigkeit. Mit dem Gefühl, allem davoneilen zu können. Dem Gefühl von Freiheit.
    Hätte sie da schon gewusst, dass Wick den Pick-up fuhr, hätte sie sich wahrscheinlich noch glücklicher gefühlt. Er konnte sie zum Lächeln, ja sogar zum Lachen bringen. Der schiefe Schneidezahn –
    Das Telefon riss sie aus ihren Träumen.

15
    Wick wollte nur noch weg von Oren. Er kletterte in seinen Pick-up  – der Parkwächter schien eine geschlagene Stunde zu brauchen, bis er die Parkgebühr berechnet hatte – und fuhr aus dem Stadtzentrum. Dann parkte er den Wagen in einer verlassenen Seitenstraße und versuchte, sich während der nächsten Minuten davon zu überzeugen, dass er nicht auf der Stelle sterben würde.
    Immer wieder ließ er das Gummiband schmerzhaft gegen sein Handgelenk schnalzen, ohne dass dies die irreführenden Signale aufgehalten hätte, die seinem Gehirn seinen nahenden Tod anzeigten. Er hatte nie so recht daran geglaubt, dass ein Gummiband
solche Wunder bewirken konnte. Für ihn war das, als wollte man einen führerlosen Güterzug mit einer Reitpeitsche aufhalten. Doch der Arzt hatte ihm zu diesem Gummiband geraten, darum hatte Wick ihm zuliebe angefangen, es zu tragen.
    Seine Finger und Zehen begannen zu kribbeln. Das taube Gefühl kroch in seinen Beinen hoch und durch seine Hände in die Arme. Als er diese vorübergehende Lähmung zum ersten Mal erlebt hatte, hatte er sie für den eindeutigen Beweis gehalten, dass er an einem Gehirntumor litt. Später hatte er erfahren, dass das Gefühl nur entstand, weil seine Gliedmaßen durch die Hyperventilation nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt wurden.
    Er klappte das Handschuhfach auf und holte die braune Papiertüte heraus, die er immer dabei hatte. Kaum hatte er ein paar Mal in die Tüte geatmet, ließ das Kribbeln auch schon nach, die Taubheit löste sich, und das Gefühl kehrte in seine Gliedmaßen zurück.
    Nur sein Herz pumpte immer noch, als hätte er Auge in Auge einer angriffsbereiten Kobra gegenübergestanden. Er war schweißgebadet. Obwohl er genau wusste, dass er nicht sterben würde, sagte ihm sein Gefühl das genaue Gegenteil. Fünf höllisch schwere Minuten lang lagen Verstand und Körper

Weitere Kostenlose Bücher