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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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abseits gelegene Partymeile hielt sich allerdings in Grenzen: ein paar verlotterte Jägus-Jünger versuchten ein paar abgerissene Lodenlumpen unter den Tisch zu saufen. Ein vom harten Leben zwischen Gäu-, Bräu- und Schützenfesten gezeichneter Schankkellner lümmelte neben einem von rostigen Eisenreifen zusammengehaltenen Holzfass. Tristesse pur! Er hielt Ausschau nach Vinzenz. Vergebens! Sein „V-Mann“ ließ sich nirgendwo blicken. Was tun sprach Zeus? Irgendwie war bei ihm die Luft raus. Dirrigl schien dagegen bester, bierfester Laune zu sein. Feixend stieß er ihm den Ellenbogen in die Rippen:
                „Trinken wir was. Die Maß geht auf mich!“
                Wie ein Wollschaf dem Leithammel folgte er ihm. Mit herrischer, keinen Aufschub duldender Stimme blaffte er:
                „Zwei Maß! Und zwar gut eingeschenkt, wenn ich bitten darf.“
                Der Mann am Schank blickte verdutzt aus der Wäsche und beteuerte mit untertäniger, serviler Miene:
                „Sehr wohl Hochwürden. Zwei Maß, kommen sofort!“
                Der Dechant drückte dem devot buckelnden Kellner einen Zwanziger in die Hand:
                „Stimmt so! Komm Simon, suchen wir uns einen Platz. Ist ja genug da!“
                Kaum hockten sie am Tisch, schon prostete ihm Dirrigl zu:
                „Prost Gemeinde! Auf uns! Der Krattler gehört der Katz!“
                Dirrigl grinste wie ein fetter, dem Laster der Völlerei und der Wollust frönender Satyr. Simon bemerkte apodiktisch:
                „Wer der Katz gehört, der geht vor die Hund!“
                Dirrigl stürzte den halben Krug hinunter und leckte sich den Schaum von den Wulstlippen:
                „Die Apokalypse des Johannes ist nicht nur das letzte, es ist auch das problematischte Buch der Bibel. Die Kirche war nie ganz glücklich mit dem endzeitlichen Touch des Texts. Der allegorische, symbolistische Sermon kommt eindeutig aus der gnostischen Ecke. Und was passiert? Dieser scheinheilige Haderlump von einem Eremiten pickt sich ein paar dunkle, doppeldeutige Passagen heraus, um sich darauf seinen eigenen Reim zu machen!“
                Seine Stirn umwölkte sich:
                „Ich mein: irgendwo hört sich der Spaß auf!“
                Simon brummelte etwas in seinen Bart, um prinzipielle Zweifel und Vorbehalte anzumelden. Derweil zitierte Dirrigl im mokanten, süffisanten Tonfall aus einem der Hirtenbriefe:
                „Wie man nun das Unkraut ausjätet und mit Feuer verbrennt, so wird’s auch am Ende der Welt gehen. Der Menschensohn wird seine Engel senden und sie werden sammeln alles, was zum Abfall verführt, und die da Unrecht tun, werden sie in den Feuerofen werfen. Dem reuigen Sünder aber wird vergeben werden!“
                Dirrigl genehmigte sich noch einen Schluck:
                „Sagt dir das was? Matthäus Kapitel 13, Vers 40! Ich sag nur: Gottes Wort treibt seltsame Blüten!“
                Wie ein larmoyanter Lama rhapsodierte er das Om der Orthodoxie:
                „Das Problem ist, dass da draußen geistig labile Fanatiker herumlaufen, die nicht ganz richtig im Oberstüberl sind. Sie suchen nach einem charismatischen Führer, der vorgibt die Geheimnisse Gottes zu kennen. Sie suchen einen Wundermann, einen Seelenverkäufer, der ihnen das Blaue vom Himmel verspricht.“
                Simon kratzte sich am Ohrläppchen:
                „Also ich weiß nicht. Der alte Krauterer ist vielleicht ein wenig verkalkt, aber deswegen hält er sich nicht gleich für einen Guru!“
                In seinem euphorischen Zustand ließ Dirrigl keine Widerworte gelten. Seine Bäckchen glühten im missionarischen Eifer:
                „Woraus besteht der Nukleus der frohen Botschaft Christi? Was ist die Message des Messias?“
                Hilflos mit den Achseln zuckend, riet er ins Blaue:
                „Die Auferstehung, der Triumph des Geists über die Materie?“
                Das Lächeln Dirrigls war das eines Alchemisten, der seinem loyalen, aber begriffsstutzigen Diener in die Geheimnisse der Transformation von Geist in Materie einweiht:
                „Der Glaube und die Liebe! Ein Glaube, der Berge versetzt und eine Liebe,

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