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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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zitterten vor mühsam unterdrückter Wut. Die beiden losen, gottlosen Buben durften sich glücklich schätzen, dass sich die Zeiten geändert hatten, dass Ketzerverfolgung und Hexenverbrennung passe, die Allmacht der Kirche nur noch Makulatur war. Dirrigl blickte demonstrativ auf die Uhr. Im angeberischen Tonfall des überbeschäftigten Managers im Dienste des Herrn bemerkte er von oben herab:
                „Es hat mich gefreut die Herren. Aber die Pflicht ruft!“
                Ewald bedachte den Fettwanst mit scheelsüchtigen, feindseligen Blicken. Sein Bruderherz schrie ihm zum Abschied ein paar ausgesuchte „Nettigkeiten“ hinterher:
                „Schleich dich zum Teufel, du gelbgesichtiger Kuttenbrunzer!“
                Simon enthielt sich jeglichen abfälligen Kommentars, klemmte sich den Laptop unterm Arm und verabschiedete sich hastig:
                „Servus die Buben! Ich muss los. Mir sehen uns freitags!“
                Er beeilte sich Dirrigl einzuholen:
                „Dominikus! Auf ein Wort! Ich schreib grad an einem Artikel, der sich mit der Geschichte der Eremiten, mit den Hieronymiten, Kartäusern, Waldbrüdern und so befasst. In der Thematik bist du doch firm, oder?“
                Dirrigl blieb abrupt stehen und starrte ihn aus großen, verständnislosen Augen an:
                „Wie kommst du denn da drauf? Die Geschichte der diversen Orden und Observanzen ist ein Buch mit sieben Siegeln.“
                Noch ehe sich Simon eine passende Antwort zu Recht legen konnte, schrillte sein Handy. Simons Gedanken wirbelten im Kreis, schlugen einen Salto rückwärts. War Vinzenz auf eine heiße Spur gestoßen, hatte sein IM den Alten aufgestöbert? Konnte er womöglich Dirrigl und den Eremiten zur Teilnahme an einer „Talkrunde“ überreden? Die lumineszierenden Dioden des Displays ließen ihn lapidar wissen: „Unbekannter Teilnehmer“. Wer war der mysteriöse Anrufer? Übellaunig knurrte er:
                „Simon Sternsteiner!“
                Bei dem Höllenlärm verstand man sein eigenes Wort nicht:
                „Wer ist dran? Ich höre Sie nur ganz…“
                Er presste das Handy ans Ohr, lallte nach einer kurzen, von dem Ausfall einiger Relais bedingten Schaltpause ungläubig:
                „Was? Wirklich? In Hochharting!“
     
    Brennend und sengend zog der kupferne Schuft seine Bahn über des Himmels azurblauen Plan. Dicke Schweißperlen glänzten auf Simons Stirn. Mit hochrotem Gesicht stapfte er den südseitigen Sonnenhang hinauf. Seine Bergschuhe fühlten sich an, als ob sie aus Blei gegossen waren. Hundert Meter hinter ihm kämpfte Dirrigl um jeden Höhenmeter. Jedes Bockbier, jede Surhaxe, jedes überschüssige Pfund zu viel auf den Rippen rächte sich nun bitter. Mit dem Mute des Märtyrers schleppte er „sein Kreuz“ bergan. Simon zog die Riemen seines Rucksacks enger und beschleunigte seine Schritte. Wenn er bis ans Limit ging, konnte er seinen unermüdlichen „Verfolger“ vielleicht abschütteln. Wieso nahm der pummelige Pfaffe diese Strapazen auf sich? Wieso hatte Dirrigl darauf bestanden, ihn „auf seinem schweren Weg“ zu begleiten? Der Schlussanstieg am Herrgottsholz hatte es in sich. Steil und steinig wand sich der Pfad durch ein schattenloses Geröllfeld. Seine Pumpe pumperte wie wild gegen den Brustkasten. Er fühlte sich wie ein Marathon-Mann, dem bei Kilometer 39 die Puste ausging. Es grenzte an Irrsinn, mit zwei Promille im Blut den Berg hinauf zu hecheln. Warum tat er sich das an? Was erhoffte er sich von einem Treff mit dem depperten Eremiten? Der innere Schweinehund flüstere ihm zu, sich am Arsch lecken zu lassen, kehrt zu machen und den Tag bei einer gepflegten Maß im Biergarten zu beschließen. Simon spähte nach unten: Dirrigl gab nicht auf, gestützt auf seinen Wanderstab walzte er mit der Urgewalt eines schwergewichtigen Berserkers bergan. Was trieb ihn zu dieser Kraftanstrengung? Als Gymnasiast hatte Dominikus jegliche körperliche Anstrengung vermieden und sich mittels eines ärztlichen Attests vom Sportunterricht befreien lassen. Und jetzt? Jetzt schwärmte er in höchsten Tönen davon „den Pilgerstab zu nehmen, spirituelle Einkehr zu halten und zum Grab des heiligen Jakobus zu wallfahren.“ Simon traute Dirrigl allerdings nicht über den Jakobsweg. Irgendetwas führte der

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