Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)
nämlich nach nur fünf Minuten ab (wie sich herausstellte, wohnte sie nur eine Straße weiter), und zwar in einem dieser riesigen, dämlichen Geländewagen, die mehr kosten als manches Haus und noch mehr Spielereien bieten. Hinter meinem Kopf dudelte eine Kindersendung im DVD -Spieler, obgleich gar keine Kinder im Auto saßen. Das Navigationssystem gab völlig überflüssige Hinweise.
Ihr Ehemann Brad hatte bei ihrem Vater gelernt und die Firma später übernommen. Sie vertrieben ein umstrittenes Hormonpräparat, mit dem man Hühner in atemberaubender Geschwindigkeit mästen konnte. Meine Mutter rümpfte die Nase darüber – sie würde nie etwas anwenden, das den Wachstumsprozess so verblüffend beschleunigte. Was nicht heißen soll, dass sie Hormone ablehnte: Ihre Schweine wurden mit Chemie vollgepumpt, bis sie rot und fett waren wie überreife Kirschen und die Beine ihre saftigen Körper nicht mehr trugen. Es geschah nur etwas gemächlicher.
Brad Brucker war der Typ Ehemann, der wohnte, wo Katie zu wohnen wünschte, der Katie schwängerte, wenn sie ihn darum bat, der Katie das teure Designersofa kaufte, das sie sich ausgesucht hatte, und ansonsten den Mund hielt. Er sah ganz passabel aus. Nach einer flüchtigen Begegnung im ersten Highschool-Jahr wusste ich sozusagen aus erster Hand, dass sein Pimmel ungefähr die Größe eines Ringfingers hatte. Doch anscheinend funktionierte der Winzling tadellos: Katie war mit ihrem dritten Kind schwanger. Sie würden so lange weitermachen, bis ein Junge dabei herauskam.
Wir hätten so gern einen kleinen Frechdachs im Haus.
Ich erzählte von mir, von Chicago, noch kein Mann, die Hoffnung nicht aufgeben. Sie von ihren Haaren, ihrem neuen Vitaminprogramm, Brad, den Mädchen Emma und Madison, dem Frauenkomitee von Wind Gap und der misslungenen Parade am St. Patrick’s Day. Dann ein Seufzer: D
ie armen kleinen Mädchen.
Ja, seufz, und
mein
Artikel über die armen kleinen Mädchen. So ernst war es ihr dann doch nicht, denn das Gespräch schwenkte rasch wieder zum Frauenkomitee und dessen Auflösungserscheinungen, seit Becca Hart (geb. Mooney) die Planung übernommen hatte. Zu unserer Zeit hatte sich Becca auf halber Höhe der Beliebtheitsskala bewegt und war erst fünf Jahre zuvor zum gesellschaftlichen Star avanciert, als sie sich Eric Hart schnappte, dessen Eltern im hässlichsten Teil der Ozarks eine riesige Touristenfalle mit Go-Kart-Bahn, Wasserrutsche und Minigolfplatz besaßen. Die Situation war reichlich unangenehm, aber ich würde es ja mit eigenen Augen sehen. Becca passte einfach nicht dazu.
Angies Haus sah aus wie eine zu Stein gewordene Kinderzeichnung, es wirkte fast zweidimensional. Als ich ins Zimmer trat, wurde mir bewusst, wie sehr mich das alles abstieß. Dort saß Angie, die seit der Highschool unnötigerweise noch ein paar Pfund verloren hatte, mich spröde anlächelte und verschwand, um den Tisch fürs Fondue zu decken. Dann erkannte ich Tish, schon damals der mütterliche Typ, der einem beim Kotzen die Haare aus dem Gesicht hielt und gelegentlich in dramatische Weinkrämpfe ausbrach, weil niemand sie liebte. Sie hatte einen Mann aus Newcastle geheiratet, ein etwas dämlicher Typ (wie mir Katie leise zuflüsterte), der aber anständig verdiente. Mimi lümmelte auf einem schokobraunen Ledersofa. Sie war ein hinreißender Teenager gewesen, hatte ihre Attraktivität aber nicht ins Erwachsenenalter retten können. Doch das schien niemand zu bemerken, da sie immer noch als »steiler Zahn« galt. An ihrer Hand glitzerte ein Riesenklunker, eine milde Gabe von Joey Johansen, einem netten schlaksigen Typ, der später Linebacker spielte und plötzlich verlangte, dass man ihn Jo-ha nannte. (Mehr wusste ich nicht über ihn.) Und mittendrin saß die arme Becca, eifrig und unbeholfen zugleich, von der Kleidung her so sehr an ihrer Gastgeberin orientiert, dass es schon komisch wirkte. (War Angie etwa mit Becca einkaufen gewesen?) Sie lächelte allen zu, doch niemand redete mit ihr.
Wir schauten uns
Freundinnen
mit Bette Midler an.
Tish schluchzte, als Angie das Licht wieder einschaltete.
»Ich arbeite wieder«, verkündete sie mit einem Jammerlaut und drückte ihre korallenroten Fingernägel vor die Augen. Angie goss Wein ein, tätschelte ihr Knie und betrachtete sie mit auffallender Sorge.
»Mein Gott, Liebes, warum denn?«, fragte Katie leise, noch immer unerschütterlich mädchenhaft.
»Ich dachte, ich wollte jetzt, wo Tyler in den Kindergarten geht, wieder
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