Cryer's Cross
gibt es viele Möglichkeiten, dich das wissen zu lassen. Vielleicht bekommst du ja sogar ein Handy, wenn du erst mal hier weg bist.«
Kendall stellt den Teller auf den Holzboden. Was er sagt, schmerzt zwar, aber er hat recht. Wieder schießen ihre Gedanken kreuz und quer durch ihren Kopf.
»Und«, fragt sie in dem Versuch, sie zu bändigen, »auf welches College gehst du?«
»Vassar.«
»Im Ernst?«
»Ja. Da gibt es jede Menge Frauen.«
Kendall muss lachen.
»Schön für dich. Bist du angenommen worden?«
»Ja.« Eli sieht zu Boden und wird rot. »Neulich habe ich die Zusage bekommen.«
»Das ist cool!« Kendall umarmt ihn herzlich. »Ich freue mich wirklich für dich.«
»Danke. Willst du mit mir rumknutschen?«
Sie lacht. »Nein, nicht mehr seit jenem unglücklichen Vorfall beim Flaschendrehen in der sechsten Klasse im Keller von Brandon, dem Blödmann.«
»Hab ich mir gedacht, aber ich wollte es wenigstens versuchen.« Eli wischt den letzten Rest Salsa von seinem Teller und leckt sich die Finger ab. »Und jetzt zum Dessert. Ich habe gehört, es gibt Torte. Und Kekse.« Er zwinkert ihr zu.
»Na, dann los!« Kendall sieht ihm lächelnd nach, als er nach drinnen geht, und wendet sich dann wieder ihrem Teller zu. Sie schaut erneut zu Jacián hinüber, und diesmal starrt er sie aufmerksam an. Als er ihren Blick bemerkt, wendet er sich ab und wirft entschlossen die verbrannten Paprika in eine Papiertüte.
Kendall hat plötzlich keinen Appetit mehr, legt die Gabel weg und bringt ihren Teller hinein.
Drinnen wird mittlerweile getanzt. Marlena braucht mit ihrer Beinschiene immer noch Krücken, daher kommt Tanzen für sie nicht infrage. Kendall setzt sich eine Weile zu ihr und ihren Freundinnen aufs Sofa, doch nach ein wenig Überredung macht sie schließlich mit.
Ihr Adrenalinpegel steigt. Es tut so gut, nach wochenlanger Abstinenz einmal wieder zu tanzen. Während der Nachmittag langsam in den Abend übergeht, räumen die angetrunkenen Erwachsenen die Möbel aus dem Wohnzimmer, und die Party geht erst richtig los.
Kendall tanzt mit Hector und Eli, obwohl er echt schlecht ist und ihr ständig auf die Füße tritt. Sie bekommt viel Applaus von den Gästen. Es macht so viel Spaß, und sie fragt sich wirklich, warum es in der kleinen Stadt nicht mehr Partys gibt. Diese blöden Kartoffeln.
Je später es wird, desto mehr Leute hören auf oder gehen gleich ganz nach Hause, aber Marlena ruft Kendall zu, sie solle noch bleiben und weiter tanzen. Die anderen Mädchen kommen zu ihr auf die Tanzfläche, und es wird ein wenig wild. Als eine von ihnen bei einer Drehung stolpert, legt Hector einen sexy Paartanz auf, um die Singles von der Tanzfläche zu bekommen. Es ist ein perfekter Salsa.
Hector hat sich ausgeklinkt, weil er meint, er sei zu alt und zu müde dafür. Von den Jungen hat keiner eine Ahnung, wie man Salsa tanzt, deshalb stellt sich Kendall an die Tür und sieht Mr und Mrs Obregon zu. Auch ein paar andere machen mit, aber in Cryer’s Cross gibt es nicht viele, die diesen Tanz beherrschen.
Einen Augenblick später kommt Jacián zum ersten Mal seit Beginn der Party ins Haus. Er hat ein frisches weißes T-Shirt an und geht auf seine Eltern zu.
»He, Mama!«, ruft er lächelnd. Lachend winkt sie ihn heran. Jacián übernimmt den Platz seines Vaters und nimmt seine Mutter an der Hand.
Den Mädchen im Zimmer bleibt der Mund offen stehen, als er sich fast perfekt im Takt der Musik bewegt. Als er einen Fehler macht, grinst er nur, und seine Mutter lächelt zurück.
Kendall starrt ihn an.
Mr Obregon stellt sich neben sie.
»Nicht schlecht, mein Junge«, stellt er stolz fest. Er hat einen starken Akzent, stärker und anders als der von Hector. Seine Stimme ist ebenso warm und nur ein wenig reifer als die von Jacián.
Kendall muss schwer schlucken. »Wo hat er denn das gelernt?«
»Es gehörte zu seinem Fußballtraining. An seiner alten Schule mussten alle Fußball-, Basketball- und Rugby-Teams tanzen lernen. Das macht sie zu besseren Spielern.«
»Beeindruckend«, erklärt Kendall. Kein Wunder, dass er sich auf dem Feld so fließend bewegt , denkt sie. Das Zwicken in ihrem Bauch wird stärker. Sie hat den Eindruck, sie sabbert. Und gegenüber stehen Nicos Eltern und beobachten sie. Kendall reißt den Blick von Jacián los, geht durch die Leute hindurch zur Tür und schlüpft durch den Gang hinaus nach draußen, wo sie wieder Luft bekommt. Durch das Panoramafenster wirft sie noch einen letzten Blick auf
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