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Cryer's Cross

Cryer's Cross

Titel: Cryer's Cross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baumhaus
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vergessen.
    Abrupt löst er sich von ihr.
    »Was willst du, Kendall? Bist du bereit dafür? Ich glaube nicht, dass du es bist.«
    Sie schnappt nach Luft und tritt einen Schritt zurück.
    »Mist«, sagt sie. »Es tut mir so leid.«
    »Mir auch.«
    »Du verstehst, dass ich nicht kann …«
    Er schließt müde die Augen, holt tief Luft, stößt sie langsam wieder aus und wendet sich ab.
    »Du kannst nicht«, sagt er. Er klingt verbittert. »Du kannst gar nichts, wegen deines vermissten Freundes. Klar, verstehe ich. Du willst nur ein wenig kosten, nur ein kleines bisschen, damit du weiter trauern kannst, ohne allzu viel zu verpassen. Was ist daran so schwer zu verstehen? Abgesehen von der Tatsache, dass ihr beide eher Bruder und Schwester als ein Paar wart.« Er wartet nicht auf eine Reaktion von ihr. »Das habe ich auf den ersten Blick gesehen.«
    »Du hast doch keine Ahnung«, gibt Kendall zurück.
    »Vielleicht solltest du von jetzt an mit jemand anderem zur Schule fahren. Wie wäre es mit deinem anderen Freund, Eli?«
    »Bist du jetzt eifersüchtig auf Eli?«, stößt sie hervor. Doch dann reißt sie sich zusammen. »Sein Auto ist schon voll. Und vielleicht hast du recht mit Nico und mir, aber ich kannte es eben nicht anders.« Sie beißt sich auf die Lippe. Sie kann ihn immer noch schmecken und hasst sich selbst dafür, dass sie ihn noch einmal küssen will. Leise sagt sie: »Jacián, ich weiß nur, dass Nico nie solche Gefühle in mir ausgelöst hat wie du. Das hat noch nie jemand.«
    Jacián bleibt einen Augenblick lang stehen, gequält, fährt sich mit den Fingern durch die Haare und geht zum Pferdestall zurück.
    »Verdammt, Kendall! Lass es! Ich kann das nicht.« Er schluckt hart und sieht weg. »Wenn du das tust, bin ich derjenige, der schlecht aussieht.« Er blickt in die Dunkelheit, doch er klingt entschlossen. »Ich kann nicht auf ewig der böse Kerl hier sein.«
    Er wendet sich ab und verschwindet in der Dunkelheit.
    Kendall geht wie betäubt zum Haus zurück.

Wir
    Wir schlummern, lauern, bewahren Unsere Kraft für den großen Tag. Mal witternd, mal schaudernd. Fünfunddreißig, einhundert. Fünfunddreißig, einhundert.
    Erlösung naht.

23
    Als Kendall einschläft, denkt sie an Jacián, doch in der Nacht träumt sie wieder von Nico, der verzweifelt versucht, über das Pult Kontakt mit ihr aufzunehmen. Er bittet, weint, fleht sie an, ihn zu suchen und zu retten.
    Als sie erschöpft und immer noch müde aufwacht, ist sie völlig durcheinander, was ihre Gefühle in Bezug auf Jungen, Leben und Tod angeht. Es ist alles so kompliziert. Ihr ist nur klar, dass sie es noch einmal versuchen muss. Sie muss noch einmal an Nicos Tisch zurück. Denn wenn sie das nicht tut, dann wird sie immer das Gefühl haben, an seinem Tod schuld zu sein, weil sie ihn hätte retten können, wenn sie nur nicht so dickköpfig gewesen wäre.
    Die Fahrt zur Schule verläuft schweigsam. Marlena sitzt in der Mitte, mit leichter Übelkeit vom Geburtstagskuchen, lehnt den Kopf an die Kopfstütze und jammert, wie müde sie ist. Jacián fährt mit versteinertem Gesichtsausdruck. Kendall leidet. Sie haben alle aus unterschiedlichen Gründen zu wenig geschlafen.
    Kendall weiß, was auch immer am Abend zuvor geschehen ist, wird nie wieder passieren. Sie ist Nico treu. Sie muss es sein. Egal, was ist. Zumindest, bis jemand herausfindet, was mit ihm passiert ist. Sie bewegt sich mechanisch.
    Jacián spricht nicht mit Kendall. Energisch absolviert sie ihre Morgenrituale und setzt sich dann wie magisch angezogen an Nicos Pult, ohne auch nur so zu tun, als wolle sie zuerst an ihrem eigenen Platz nachsehen.
    Als sie die neu eingeritzten Worte entdeckt, ist sie nicht wirklich überrascht. Sie lässt sich in diese Welt ziehen, leistet dieses Mal keinen Widerstand. Sie nimmt die Worte auf, streicht mit den Fingern darüber und hört Nicos Stimme. Sie legt die Wange auf den Tisch, das Gesicht von Jacián abgewendet. Ein Kloß steigt ihr in den Hals, als sie die kurzen Sätze mit Nicos Stimme hört.
    Rette mich. Ich lebe.
    Sag ja. Ich brauche dich.
    Komm zurück.
    »Ich bin zurück«, flüstert sie. »Ich bin hier.« Es ist ihr egal, alles ist ihr egal. »Ja, Nico.«
    Langsam spürt sie, wie etwas ihren Körper besetzt und die Leere darin füllt.
    Im Laufe des Morgens wird Nicos Stimme lauter und verzweifelter. Immer wieder fleht er Kendall an, ihn zu retten, zu ihm zu kommen. Sie kann sich nicht lösen. Sie will es auch nicht. Sie verharrt endlos in jenem

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