Cryptonomicon

der von der Decke eines Nebentunnels ausgeht, ein paar Meter ansteigt und dann blind endet. An den Wänden sind noch Leitern befestigt, über die sie ein Felssims erreichen können, das so breit ist, dass man darauf sitzen kann.Wing und seine Leute haben bereits Feldflaschen und Feldzwiebackschachteln dorthin geschafft.
    Bis sie ihre Plätze im oberen Teil der Kuppel erreichen, empfinden die anderen geradezu Ehrfurcht vor Goto Dengo und sind bereit zu tun, was immer er sagt. Er spürt das. Es erfüllt ihn mit unsäglichem Elend.
    Sie haben noch fünfzehn Minuten zu warten. Die anderen bringen die Zeit damit zu, dass sie Wasser trinken und Zwieback knabbern. Goto Dengo gibt sich Selbstvorwürfen hin. »Ich bin ein ekelhafter Wurm«, sagt er, »ein Verräter, ein schmutziges Stück Hundescheiße, nicht wert, die Latrinen wahrer Soldaten Nippons zu putzen. Mir ist nichts geblieben – ich bin vollkommen abgeschnitten von dem Volk, das ich verraten habe. Ich gehöre jetzt einer Welt von Menschen an, die Japan hassen – und deshalb mich hassen -, aber zugleich bin ich meinen Landsleuten verhasst. Ich werde hier bleiben und sterben.«
    »Du bist am Leben«, sagt Rodolfo. »Du hast uns das Leben gerettet. Und du bist reich.«
    »Reich?«
    Wing, Rodolfo und Bong sehen einander verdutzt an. »Ja, natürlich!«, sagt Bong.
    Goto Dengo schaut immer noch verwirrt drein. In der Annahme, dass er lediglich von den Explosionen taub oder benommen ist, greift Bong in seine Hosentasche, zieht einen selbst genähten Beutel hervor, öffnet ihn behutsam und zeigt gut eine doppelte Hand voll Diamanten vor. Wing und Rodolfo nehmen kaum Notiz davon.
    Niedergeschlagen wendet Goto Dengo den Blick ab. Er selbst hat bis auf das Leben dieser Männer nichts Wertvolles gerettet. Aber das ist nicht der Grund für seine Verzweiflung. Er hatte gehofft, dass die Tatsache ihrer Rettung sie läutern würde, sodass sie nicht mehr an den Schatz dächten. Aber vielleicht war das zu viel verlangt.
    Ein ferner, dumpfer Knall lüpft sie einen Moment lang leicht von dem Sims. Goto Dengo verspürt ein seltsames Gefühl im Kopf: Der Luftdruck beginnt zu steigen. Die in der Diagonalen eingesperrte Luftsäule wird von einem Wasserkolben, der vom See hereinschießt, zusammengedrückt. Hauptmann Noda hat den Pfropf gesprengt.
    Goto Dengo ist so erregt, dass er zu sterben vergisst.
    Er ist ein Ingenieur, gefangen in einer seiner eigenen Maschinen. Die Maschine ist so konstruiert worden, dass sie ihn am Leben erhält, und ob sie funktioniert hat, wird er nur erfahren, sofern sie funktioniert. Nachdem er diese Genugtuung erlebt hat, kann er sich jederzeit nach Belieben umbringen.
    Er kneift sich die Nase zu, presst die Lippen zusammen und beginnt Luft in seine Eustachischen Röhren zu blasen. Die anderen folgen seinem Beispiel.
    Die Fallen von Golgatha sind alle nach dem gleichen Grundprinzip aufgebaut. Sie beziehen ihre tödliche Kraft aus dem Wasserdruck, der sich vom Grund des Yamamoto-Sees auf diese Ebene überträgt. Innerhalb des Komplexes sind an einer Vielzahl von Stellen falsche Mauern errichtet worden, dazu gedacht, von gierigen Dieben durchbrochen zu werden oder von selbst einzustürzen, wenn Diebe den Sand abgraben, der sie hält. Dann wird mit explosiver Gewalt das Wasser einschießen und sie wahrscheinlich zerschmettern, ehe sie eine Chance haben zu ertrinken.
    Am unteren Ende, in Golgatha, gabelt sich der Tunnel mehrfach, wie ein Fluss, der sich in mehrere Arme verzweigt. Offizieren auf Inspektion hat Goto Dengo dies so erklärt, dass er es mit dem Röhrensystem eines modernen Hotels verglich: Es speist sich aus einem einzigen Hauptrohr, das von einem fernen Wasserturm unter Druck gesetzt wird, sich jedoch in viele verschiedene Röhren aufteilt, die unter Druck stehendes Wasser zu sämtlichen Hähnen im gesamten Gebäude leiten.
    Golgatha siedet, zischt und ächzt, während jedes Rohr seines verzweigten Systems von der Sintflut, die Hauptmann Nodas Dynamitladung ausgelöst hat, unter Druck gesetzt wird. Die an den Rohrenden eingefangenen Luftblasen suchen zu entkommen: Einige entweichen durch Ritzen in den Wänden, andere sprudeln in die Diagonale. Die Oberfläche des Yamamoto-Sees muss wie ein Kessel brodeln und bestimmt steht Hauptmann Noda auf dem Hügel darüber, sieht zu, wie die Luft aus Golgatha entweicht, und grinst zufrieden. Binnen kurzem sind die Tunnelböden von wirbelnden Lagunen schmutzigen Wassers verdeckt und die zurückgelassenen Fässer