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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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haften, die ihrerseits streifige Meersalzflecken tragen. Ihre Segel sind fast schwarz vor Dreck und Schimmel und hier und da, wie das Fleisch von Frankensteins Monster, mit dicken schwarzen Stichen grob geflickt.
    Die Männer an Bord sind kaum in besserer Verfassung. Sie machen sich erst gar nicht die Mühe, Anker zu werfen – sie lassen die Gertrude einfach auf einer Korallenbank am Eingang der Bucht auflaufen und machen Feierabend. Der größte Teil von Bischoffs Mannschaft hat sich an Deck der V-Million, des Raketen-Unterseeboots, versammelt und findet das Ganze urkomisch. Doch als die Männer von der Gertrude in ein Dingi steigen und auf sie zurudern, besinnen sich Bischoffs Männer auf ihre Manieren, nehmen Habachtstellung ein und grüßen.
    Bischoff versucht, sie zu erkennen, während sie näher kommen. Das dauert eine Weile. Es sind insgesamt fünf. Otto hat seinen Spitzbauch eingebüßt und ist viel grauer geworden. Rudi ist ein ganz anderer Mensch: Er hat langes, fließendes Haar, das ihm als Pferdeschwanz den Rücken herabhängt, und einen erstaunlich dichten Wikingerbart, und er scheint irgendwo unterwegs sein linkes Auge eingebüßt zu haben, denn er trägt darüber tatsächlich eine schwarze Klappe!
    »Mein Gott«, sagt Bischoff, »Piraten!«
    Die anderen drei Männer hat er noch nie gesehen: einen Neger mit Dreadlocks, einen nach Inder aussehenden Burschen mit brauner Haut und einen rothaarigen Europäer.
    Rudi sieht zu, wie zehn Meter senkrecht unter ihm ein Zitterrochen seine fleischigen Flügel auf und ab bewegt.
    »Die Klarheit des Wassers ist herrlich«, bemerkt er.
    »Wenn uns die Catalinas auf den Fersen sind, Rudi, wirst du dich nach der trüben Brühe im Norden zurücksehnen«, sagt Bischoff.
    Rudolf von Hacklheber richtet sein eines Auge auf Bischoff und lässt sich eine winzige Spur von Belustigung anmerken. »Erlaubnis, an Bord zu kommen, Herr Kapitän?«, fragt Rudi.
    »Mit Vergnügen erteilt«, gibt Bischoff zurück. Das Dingi ist an dem gewölbten Rumpf des Unterseeboots längsseits gegangen und Bischoffs Mannschaft lässt eine Strickleiter zu ihm herab. »Willkommen auf der V-Million!«
    » Von der V-1 und der V-2 habe ich schon gehört, aber...«
    »Wir hatten keine Ahnung, wie viele andere V-Waffen Hitler womöglich noch erfunden hat, also haben wir uns für eine sehr, sehr große Zahl entschieden«, sagt Bischoff stolz.
    »Aber Günter, du weißt doch, wofür das V steht?«
    » Vergeltungswaffe«, sagt Bischoff. »Du denkst nicht gründlich genug darüber nach, Rudi.«
    Otto ist verwirrt, und verwirrt zu sein macht ihn wütend. »Aber Vergeltung bedeutet doch Rache, oder?«
    »Es kann aber auch bedeuten, sich zu revanchieren, jemanden zu entschädigen, jemanden zu belohnen«, sagt Rudi, »sogar jemanden zu beglücken. Mir gefällt das sehr, Günter.«
    »Für dich Admiral Bischoff«, gibt Günter zurück.
    »Du bist der Befehlshaber der V-Million – niemand steht über dir?«
    Bischoff schlägt kräftig die Hacken zusammen und streckt den rechten Arm aus. »Heil Dönitz!«, bellt er.
    »Was soll denn das nun wieder?«, fragt Otto.
    »Habt ihr denn keine Zeitung gelesen? Hitler hat sich gestern umgebracht. In Berlin. Der neue Führer ist mein guter Freund Karl Dönitz.«
    »Gehört er etwa auch zu der Verschwörung?«, murrt Otto.
    »Ich dachte, mein geschätzter Mentor und Beschützer Hermann Göring würde Hitlers Nachfolger«, sagt Rudi und klingt beinahe geknickt.
    »Der ist irgendwo unten im Süden«, sagt Bischoff, »und macht eine Schlankheitskur. Kurz bevor Hitler Zyankali genommen hat, hat er der SS befohlen, das fette Schwein zu verhaften.«
    »Nun mal im Ernst, Günter – als du in Schweden an Bord dieses Unterseeboots gegangen bist, hieß es noch anders und es waren auch ein paar Nazis an Bord, oder?«, fragt Rudi.
    »Die hatte ich ja ganz vergessen.« Bischoff wölbt die Hände um den Mund und ruft durch die Luke in dem schnittigen, abgerundeten Turm: »Hat jemand unsere Nazis gesehen?«
    Die Frage hallt von Seemann zu Seemann durch das ganze Boot: Nazis? Nazis? Nazis? , doch irgendwo verwandelt sie sich in
    Nein! Nein! Nein! und schallt den Turm hinauf durch die Luke zurück.
    Rudi klettert barfuß auf den glatten Rumpf der V-Million. »Habt ihr Zitrusfrüchte?« Er lächelt und entblößt tiefrote Krater in seinem Zahnfleisch, wo man eigentlich Zähne hätte erwarten dürfen.
    »Hol die Calamansis«, sagt Bischoff zu einem seiner Maate. »Rudi, für dich haben wir die

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