Crystall (German Edition)
einsetzte. So einfach konnte es nicht sein.
Aber immerhin hatte die heilige Waffe einen guten Dienst erwiesen. Nach Minuten der Erschöpfung war sie wieder fähig, sich wenigstens aufzusetzen und das Geschehen im Tal bewusst zu verfolgen. In der Masse war die schwarze Armee hoffungslos unterlegen. Nawarhons Truppe erkannte diese Chance. Trotz ihrer zu Boden geneigten Ausdauer mobilisierten sie ein letztes Mal alle Kraftreserven und fochten mit wilder Entschlossenheit. Sie wussten, dass diese Runde die letzte sein würde.
Mandy trat der Schweiß auf die Stirn und sie hatte das Gefühl, persönlich in der Schlacht dabei zu sein. Aber lange konnte es nicht mehr dauern. Wenn die Energie auf ihren Seiten nicht schlagartig erlosch, hatten sie durchaus gute Karten für einen Sieg.
Zum vierten und letzten Mal prallten die Heere aufeinander. Auf beiden Seiten erkannte man den brennenden Willen und das Wissen, dass dies eine Entscheidung werden würde. Umso heftiger fiel auch der Ansturm aus. Die Schlacht war längst vorbei, was da unten vor sich ging, war lediglich ein letzter Zusammenstoß, in dem man fiel oder am Leben blieb. Wie zwei lebendige Züge donnerten die Heerscharen zusammen, schufen eine undurchschaubare Dreckwolke unter ihren Füßen. Der Kampflärm drang bis zu Mandy herauf. Was sich ihr wie eine unendliche Schlacht darbot, war nur ein einziger Hieb und eine Frage von wenigen Minuten. Ein letztes Kräftemessen, Sators und Nawarhons Mannen gingen noch einmal mit der Kraft der Verzweiflung in den Kampf, als wüssten sie, dass es keinen Morgen mehr geben würde. Die Entscheidung fiel.
In keiner Sekunde des Krieges war erkennbar gewesen, wer gewinnen konnte und wer nicht. Bis zum letzten Atemzug starrte Mandy entsetzt ins Tal und erst Minuten nach dem Ende begriff sie überhaupt, was geschehen war.
Sie hatten gewonnen!
Mandy sprang mit einem Ruck in die Höhe und blinzelte ungläubig, als traue sie dem Frieden noch nicht wirklich. Mit halb offenem Mund stand sie versteinert da und beobachtete das Schlachtfeld, auf dem sich allmählich der Dreck und Staub wieder legte. Ihre eigene Streitmacht war noch einmal um die Hälfte geschrumpft und das letzte bisschen Energie verbraucht, Mandy glaubte sehen zu können, wie sich der Brustkorb der Männer schwer hob und senkte. Einen erneuten Ansturm hätten sie nicht mehr überstanden. Aber das war auch gar nicht nötig, ihre Zahl hatte einfach den Ausschlag gegeben. Seitens der schwarzen Armee standen allerhöchstens noch an die zehn Krieger aufrecht. Der Gutteil von ihnen ergriff die Flucht, obwohl sie so etwas wie Emotionen nicht besaßen.
Sator, Nawarhon und Lyhma befanden sich ebenfalls unter den Lebenden. Mandy konnte von der Anhöhe aus erkennen, wie schwer es ihnen allein schon fiel, überhaupt stehen zu bleiben.
Mandy ging langsam in das Tal hinunter. Diesmal aber wirklich in Ruhe, sie wollte niemanden noch zusätzlich in Aufruhr versetzen. Andererseits drohte keine Gefahr mehr, denn nur noch drei der Feinde waren auf dem Schlachtfeld übrig, ausnahmslos beritten und mit eingezogenen Waffen. Sie würden nicht mehr kämpfen.
Ihr Heer machte keine Anstalten, die letzten Gegner anzugreifen. Keuchend standen sie da und starrten stumm auf die drei Reiter.
Mandy blieb im Schutze ihrer Garde stehen und konnte alles genauestens beobachten. Zwei der Reiter sahen aus wie alle anderen der schwarzen Armee. Lediglich der Vorderste des Trios hob sich einsam unter seinen Kameraden ab. Vielleicht war er ein Anführer.
„Für heute habt ihr gewonnen“, drang eine gedämpfte Stimme aus dem Blechhelm des Reiters.
Mandy war überrascht. Er schien der einzige, der sprechen konnte. Seine Rüstung wirkte gewaltiger als die der anderen. Hinter dem Visier verbarg sich keine Leere, sondern Züge eines Lebenden. Er war nicht nur eine Marionette.
„Und nicht nur heute“, erwiderte der junge Prinz mit leicht angekratzter Stimme. Er trat einen kleinen Schritt hervor, um in direktem Blickkontakt mit dem Reiter zu stehen.
„Wir werden uns ein letztes Mal wiedersehen“, versprach der Reiter. Er klang überzeugt und fest. Dann hob er eine Hand in die Höhe und offenbarte etwas, was im schwachen Licht der Sonne funkelte.
Einer der fünf Kristalle.
Nawarhon zuckte förmlich zusammen. „Noch ist er in deiner Gewalt. Aber du hast nicht alle.“
„Noch nicht“, erwiderte der Fremde kühl und steckte den Kristall wieder ein. „Du siehst, deine Opfer waren zwecklos, du wirst nur
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