Crystall (German Edition)
doch verängstigt sein?
„Vielleicht kann ich dir ja helfen“, meinte die Seherin mit sanfter Stimme. Ihre schmalen Augen beobachteten jeden ihrer Züge, als könne sie daraus Gedanken lesen.
„Das wäre wirklich nett. Aber sagen Sie mir zuerst, wie es dem Jungen geht ... und den beiden Trollen.“
Kaija nickte einverstanden und schloss die Augen. Für Sekunden war sie zur Statue geschmolzen und ging tief in sich, bevor sie die Augen ebenso langsam wieder öffnete. „Deine Freunde sind am Leben. Ihre Wunden werden in der Festung versorgt. Man macht sich Sorgen um dich, es gibt schon Suchmannschaften.“
„Was ist mit Lyhma?“
„Auch sie und ihre Freunde leben. Sie ziehen sich zurück, reiten irgendwo hin.“
Mandy blies erleichtert den Atem aus. „Zum Glück ist nichts Schlimmeres geschehen. Wussten Sie, dass Lyhma Verrat begangen hat?“
„Diese Antwort liegt nicht in meiner Berechtigung. Ich schütze dieses heilige Land, mische mich aber nicht zwischen Gut und Böse. Wenn sie Krieg führen, dann werden sie ihre Gründe haben.“
Mandy überraschte die leichtfertige Art ein wenig. Aber wahrscheinlich wollte sie nur ganz einfach nicht darüber reden. „Und was ist eigentlich mit den Zauberkräften, die Sie haben sollen?“
„Alte Zeiten ... vergangene Sünden. Ich habe lange keine Macht mehr, meine Energie reicht nur noch für einen magischen Spruch. Der würde meinen Tod bedeuten. Du siehst, ich bin nicht fähig, mich in das Geschehen hier einzumischen.“
Mandy nickte. Sie brauchte jedoch doppelt so lange, um wirklich alles zu begreifen. Aber sie verstand die Frau inzwischen. „Machen Sie sich nichts draus.“
„Tu ich nicht ... trotzdem werde ich meinen letzten Willen dir schenken. Ich weiß nicht, ob ich noch lange zu leben habe, deshalb will ich dir alles geben, was ich weiß.“
Sie erschrak ein wenig über diese Worte. Kaija sprach mit einer Selbstgefälligkeit, als wüsste sie, dass sie sterben müsste. Sie machte gar nicht den Eindruck.
Kaija lächelte dennoch weiter. „Bist du bereit?“
Mandy sah plötzlich auf. Kaijas Worte hatten sie geschockt, so sehr musste sie über alles nachdenken. „Wofür?“
„Seit du hier bist, hat man dich nur mehr in Verwirrung geführt, als gut ist. Wenn du möchtest, kann ich dir alles zeigen und sagen, was du brauchst.“
„Ja“, erwiderte Mandy zögerlich.
„Aber ich warne dich ... was du erfahren wirst, ist nicht leicht auf sterblichen Schultern zu tragen. Bist du bereit, Verantwortung zu tragen?“
Mandy nickte, sie konnte ja noch nicht ahnen, welche Entscheidung sie eines Tages treffen müsste.
„Gut ... dann folge mir.“
Mandy und Kaija verließen das Zimmer. Schweigend trotteten sie neben einander her, durch einen finsteren Flur, bis sie Minuten später in eine größere Art Halle gelangten, die nichts mit einem Wohnheim gemein hatte.
Kaija blieb sekundenlang wortlos stehen, als müsse sie sich erst wieder an den Raum erinnern. Doch dann trat sie langsam ein und winkte Mandy hinter sich her. Insgesamt war die Halle nicht unbedingt so groß, wie das unter diesem Begriff zu verstehen war. Aber Wände und Decken bestanden aus einem ihr unschlüssigen Metall, sehr fein geschliffen und glänzend. Es war sehr hell, beinahe leuchtend weiß und im Zentrum thronte ein Potest aus Kristall. Er war gerade so hoch, dass er Mandy bis zur Hüfte ging. Doch sie spürte die sonderbare Energie, die von dem Eiszylinder ausging. „Was genau wollen Sie mir denn nun zeigen?“
„Nicht so ungeduldig.“ Die Alte machte eine beruhigende Geste, wobei sie unentwegt auf den Potest starrte. „Ich will dich langsam einweisen. Was du bald sehen wirst, könnte für dich unglaublich werden.“
„Was ... das Ding da?“ Mandy deutete auf den Kristall und runzelte die Stirn. Sicher, er sah bezaubernd aus und von ihm ging irgendetwas aus, dennoch beschränkte es sich auf ein Maß der Normalität. Ansonsten gab es in dem Raum nichts besonderes, das unter Umständen magisch sein könnte. All dies bezog sich lediglich auf ein paar Regale mit Büchern und seltsamen Gefäßen. Vielleicht war die Frau eine Hobbychemikerin.
„Du musst lernen, nicht alles für das zu nehmen, wie es den Anschein hat, Mandy. Es gibt eine Menge unerklärlicher Dinge, die für den einfachen Menschenverstand ungreifbar sind.“
„Es gibt keine Magie oder so etwas“, beharrte Mandy stur und sah die Alte mit einer Mischung aus Faszination und kindlichem Trotz an.
Kaija behielt ihr
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