Crystall (German Edition)
Abermals pulsierte ihr Herz wie ein sprudelheißer See. Die Autos kamen immer näher, sie würde es nicht mehr rechtzeitig schaffen.
In einer mehr instinktiven als gewollten Bewegung trat sie volle Eisen auf das Bremspedal und riss dann ihr Steuer heftig herum. Das Taxi stellte sich quer und rutschte gegen alle physikalischen Gesetzte längs weiter. Funken sprühten über die Straße, bis die Taxe gegen ein Polizeiwagen knallte. Beide Fahrzeuge begannen zu beben und Scheiben zerbarsten in höllischem Lärm.
Dann war alles vorbei!
Mandy legte den Kopf auf das Lenkrad und schloss für einen Hauch der Genüsslichkeit die Augen, in einem Dunkel des Schweigens. Sie holte einfach nur tief Luft, dachte an nichts, nicht einmal an ihren spektakulären Bremsversuch, der obendrein noch geglückt war. Es waren Sekunden, in denen sie alles liebte und einfach die Seele baumeln ließ. All das in jenem Moment, hinterher war das vergessen, von einem Moment zum anderen.
„He, Mandy.“
Sie hörte die Worte ihrer Freunde kaum noch. Sie lag noch immer auf dem Steuer, doch diesmal war sie verzweifelt. Zum Teufel, was würde ihre Mutter sagen? Mit sechzehn ein Auto klauen, eine Tankstelle überfallen und Beamten von der Straße abdrängen – kurz gesagt, es lief miserabel. Ihre Mutter würde das nie verzeihen. Wahrscheinlich konnte sie ihr nicht einmal verübeln, wenn Mutter versucht hätte, sie umzubringen.
„Bitte legen Sie sämtliche Waffen ab!“, dröhnte ein Befehl über Lautsprecher zu ihr. Sie nahm erst spät bewusst wahr, dass ein Deutscher sprach. Glücklicherweise beherrschte sie diese Sprache nahezu perfekt. „Kommen Sie dann unverzüglich aus dem Wagen, alle! Verhalten Sie sich entgegenkommend, wird Ihnen nichts geschehen!“
„Hast du den Schreihals gehört?“, fragte Shou fast empört. Er konnte die ganze Aufregung wohl nicht verstehen. „Was sollen wir tun?“
„Aufgeben“, murmelte Mandy aus schwacher Kehle. Sie öffnete langsam die Tür, um den Männern keine Gelegenheit zu bieten, etwas falsch zu verstehen. Sie fuhr aber ein letztes Mal herum. „Passt auf. Lyhma und ich werden nun das Auto verlassen und uns ergeben.“
„Was?!“, fragte diese entsetzt.
„Es geht nicht anders“, bedauerte Mandy und hoffte, sie würde anständig kooperieren. „Du wirst in Sichtweite des Wagens bleiben.“
„Kommen Sie sofort heraus!“
Das Mädchen schenkte den Polizisten keine besondere Beachtung. „Shou und Maxot, euch kennen sie nicht. Bleibt im Wagen und wartet auf mein Zeichen, beziehungsweise von Lyhma.“
„Was hast du vor?“, fragte der Troll bestürzt.
„Ich werde die Typen ablenken. Derweil müsst ihr beide den Kristall suchen, er sollte ganz in der Nähe sein.“
„Hier suchen“, schimpfte Maxot überfordert. „Wie sollen wir den denn hier finden?“
„Das ist die letzte Warnung!“, donnerte der schneidende Befehl herüber. Er klang nicht nur eindeutig schärfer, sondern nun auch zornig. „Bewegt eure Ärsche hier raus oder wir pusten euch die Schädel weg!“
Mandy zuckte zusammen. „Unsere einzige Chance“, wisperte sie noch einmal, dann kletterte sie aus dem Wagen, bevor die Typen restlos durchdrehten. Vorsorglich nahm sie die Hände hinter den Kopf und beobachtete Lyhma aus den Augenwinkeln. Sie musste jetzt einen Versuch starten.
„Hierher!“, pfiff es durch die Nacht.
Mandy musste alle Mühe aufbringen, um nicht gleich tot umzufallen. Während sie allmählich auf die Beamten zu lief, sah sie, dass Lyhma korrekt vor dem Auto blieb.
Vor dem Taxi und Mädchen hatte sich ein Halbrund aus Streifenwagen aufgebaut, deren bunte Einsatzlichter durch die Dunkelheit stachen, Mandy hin und wieder sogar blendeten. Die Scheinwerfer waren direkt auf sie gerichtet und alle Beamten starrten sie an. Sie zählte an die zehn Männer. Einer davon erhob sich durch seinen braunen Mantel und der kräftigen Statur. Der Kerl lief ein gewagtes Stück auf sie zu, hielt die Pistole in Anschlag.
Seltsam , dachte Mandy. Warum legen die mir eigentlich keine Handschellen an? Glauben die etwa, ich wäre nur ein dummes, harmloses Kind?
„Mach schon, Gaston“, rief ihm einer der anderen in den Rücken. „Leg ihr endlich Schellen an.“
„Nicht nötig“, grinste Gaston überlegen und sagte an Mandy gewandt. „Verhältst du dich anständig, werde ich mich für dich einsetzen.“
Das Mädchen verzog keine Miene. Sie wusste ganz genau, dass der Polizist ganz sicher keine Ausnahmen machen würde. Und
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