Crystall (German Edition)
machen, nur um das gleiche zu erreichen, wie durch jeden anderen auch.
Sator dehnte seine Pause, aber er schien nichts von Mandy zu erwarten. „Es heißt nämlich ebenso in der Geschichte, dass demjenigen, der die Kristalle vereint und die Bestie besiegt, unendliche Macht winkt.“
„Verstehe. Deshalb ist jeder für sich hinter den Kristallen her.“
„Und noch viel mehr“, fügte Sator beiläufig, als hätte es keine neue Bedeutung, hinzu. Er wirkte ungemein gelassen und ruhig. „Es ist gar nicht undenkbar, dass es auch unter den Guten zu Streitigkeiten kommen würde. Der Lohn ist groß, auch deine Seelenheiliger sind nicht frei von Versuchung. Ich glaube, du weißt gar nicht so recht, auf was für eine schwere Aufgabe du dich eingelassen hast.“
„Die Freunde, mit denen ich unterwegs bin, werden mich nicht verraten. Die Zeit wird immer knapper, wir können keine dummen Machtspielchen mehr gebrauchen.“
„Du stellst dir das so einfach vor“, bemerkte Sator mit sanfter Stimme. In diesen Augenblicken war er ganz gewiss kein Kriegsherr. „Macht verführt die Wesen zu jedem Risiko. Wenn wir nach der Zeit gehen, die uns eigentlich noch bleibt, dann müssten wir uns längst zusammen tun. Aber wie du siehst, es geschieht nichts dergleichen.“
„Was ist das für eine Macht, die euch so blind macht?“
Sator schien die gehässige Anmerkung einfach zu überhören. „Ganz sicher weiß das niemand, doch es heißt, dass der Erlöser und Bezwinger des Ungeheuers göttliche Macht erhält. Er wird zum bedeutsamsten Wesen dieser Welt, erhält Macht und Reichtum. Sein Ansehen würde so groß sein, dass man ihn für einen Gott ansehen wird. Vielleicht mag das für einen Menschen mit reinem Herzen unbedeutend sein, aber für...“ Sator suchte nach einem geeigneten Wort. „...einen bösen Menschen wird es zum Größten, nach dem er je gestrebt hat. Er könnte die Welt unterwerfen.“
Mandy hatte ihren Gesprächspartner bei seinen Worten aufmerksam beobachtet. Seine Augen leuchteten, auch er war nicht frei von dieser Versuchung. Sie war aber auch zu groß, als das man ihr widerstehen könnte. Jetzt wusste sie umso mehr, dass es von höchster Wichtigkeit war, wer den Abschluss tat. Eine neue Zukunft könnte davon abhängen.
„Ja, unendliche Macht, alle Reichtümer dieser Welt“, orakelte Sator mit geheimnisvoller Stimme.
Sie war verärgert über diese neue Erkenntnis. „Also, wenn das, was du sagst, wirklich der Wahrheit entspricht, dann kann diese höhere Macht nicht sehr weise gewesen sein. Drei Hürden und drei Chancen, die Welt ins Verderben zu reißen, ihr lebt wirklich auf der Schneide eines scharfen Messers. Das Kristallrelikt, die Bestie und das Herz des Erlösers. All das muss stark und absolut rein sein, um diese Welt zu retten.“ Sie seufzte. „Wer hat sich das nur ausgedacht?“ Sie verspürte leichten Zorn gegenüber Nawarhon, Maxot, Kaija und all ihren angeblichen Verbündeten. Wieder einmal hatten sie ihr nicht die ganze Wahrheit gesagt. Sie hatte es erfahren müssen, aus dem Munde der Gegenseite. Nach Sators Worten hatte die Angelegenheit nämlich eine völlig neue Bedeutung und zeigte, dass alles sehr viel schwieriger war, als man ihr hatte Glauben machen wollen. Warum nur wurde ihr das nicht gesagt? Auf eine so große Verantwortung wäre sie doch niemals eingegangen. Mit einem Mal bekamen all die Worte und Prophezeiungen einen ganz neuen Sinn. Nur war ihr auch bewusst, warum gerade sie, ein neutrales Mädchen aus einer anderen Welt, die Mission erfüllen sollte. Sie gehörte nicht hierher und deshalb konnte nur sie die drei Prüfungen bestehen. Jeder andere würde versagen, selbst Nawarhon und seine Freunde.
Mandy schüttelte den Kopf und atmete tief durch. Eine solche Last hatte sie nie tragen wollen. Mit einem Mal fühlte sie sich sonderbar verraten, verlassen und leer. Sie wünschte sich nur noch weg oder in einen Traum.
„Es tut mir leid.“
Die Worte drangen so plötzlich in ihre Gedanken, dass sie zusammenfuhr. Sie blinzelte Sator überrascht an. „Was tut dir leid?“
„Irgendwie alles, Mandy“, sagte Sator bedauernd. Es klang so ehrlich, wie nie zuvor. „Du bist jung und solltest so eine Entscheidung gar nicht tragen. Ich hätte dir davon nicht erzählen sollen.“
Mandy lächelte warm. „Das ist in Ordnung. Ich danke dir sogar. Irgendwie bist du der einzige in dieser Welt, der mir die genaue Wahrheit erzählt hat. Jetzt weiß ich, woran ich bin und um welchen Preis es
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