CSI: Miami - Der Preis der Freiheit
mit extremen Gefühlen – wenn er nicht gehorcht oder auch nur die kleinste Regel infrage stellt, schlägt die Liebe sofort in Missbilligung um. Das neue Mitglied empfindet dies, als würde es von Gott persönlich bestraft werden.«
Horatio nickte. »Wissen Sie, ich habe das Gefühl, dass diese Dinge für Sie nicht nur bloße Theorie sind.«
»Was?« Murayaki wirkte überrascht.
»Ich meine nur, dass Sie sich anscheinend bis zu einem gewissen Grad auf Erfahrungen aus erster Hand berufen.«
Nun sah sie ihn ungläubig an. »Wie bitte? Wollen Sie damit andeuten, ich sei selbst einmal ein psychisch labiles Sektenmitglied gewesen?«
»Nein, nein, ich …«
»Das wäre nämlich äußerst verletzend.« Murayaki sah aus, als sei sie den Tränen nahe – aber dann blickte sie plötzlich ganz unbeteiligt drein und fuhr gelassen fort. »Leiden lassen und retten«, sagte sie. »Haben Sie gemerkt, wie einfach es ist, jemanden zu triezen? Ich hätte Sie fast dazu gebracht, sich dafür zu entschuldigen, dass Sie Ihre Arbeit tun. Noch ein paar Minuten, und Sie hätten mich für einen ganz tollen Menschen gehalten, weil ich Ihnen so schnell vergebe.«
Horatio schüttelte nachdenklich den Kopf. »Und jetzt sagen Sie mir vermutlich, dass Sie aus den Gesprächen mit Ihren Klienten gelernt haben, wie so etwas funktioniert.«
»Nein, ich bin bei einer Meisterin in die Lehre gegangen. Sie hat mich gelehrt, wie man in die Köpfe anderer eindringt und die richtigen Knöpfe drückt, ohne Reue und Schuldgefühle zu empfinden. Nichtgläubige waren Maschinen für mich. Sie sahen wie Menschen aus, aber sie hatten eigentlich keine Seele. Es war mein Job, die Maschinen zum Workshop zu holen, wo wir ihnen eine Seele schenkten. Alles, was ich tat oder sagte, um diese Maschinen so weit zu bringen, war gerechtfertigt.«
»Sie waren eine Werberin?«
Murayaki nickte. »Eine der besten. Ich war Mitglied einer Gruppe, die sich Divine Order of Enlightened Thought and Wisdom nannte, und von einer Frau geführt wurde, die Boddhisatva Gaia hieß. Ihr richtiger Name war Irene Caldwell.«
»Ich wusste nicht, dass es auch Sekten mit weiblichen Anführern gibt.«
Murayaki schnaubte. »Denken Sie etwa, nur Männer hätten Charisma? Frauen beherrschen dieses Spiel genauso gut. Wenn man mich nicht mit Gewalt von dort weggeholt hätte, würde ich immer noch für die Sekte arbeiten.«
»Und nun bieten Sie anderen diesen Dienst an?«
Sie sah ihn ausdruckslos an und schwieg.
»Richtig, darüber dürfen Sie nicht sprechen«, erinnerte sich Horatio lächelnd. »Kein Problem.«
Sie zögerte, dann sagte sie: »Ist Ihnen der Begriff ›Nachträgliches Einverständnis‹ vertraut?«
»Ich denke schon. Er wird für psychisch gestörte Menschen verwandt, die aufgehört haben, ihre Medikamente zu nehmen, nicht wahr? Dabei zwingt man jemanden, der keine rationalen Entscheidungen treffen kann, zu einer Behandlung, die ihm seine Entscheidungskompetenz zurückgeben soll.«
»Richtig. Das ist das Prinzip, nach dem wir arbeiten. Der Betreffende mag sich zwar anfangs heftig gegen unser Vorgehen sträuben, aber hinterher ist er uns sehr dankbar.«
»Das ist eine gefährliche Mission, Ms Murayaki.«
»In der Tat, Lieutenant Caine. Aber nachdem ich so viele Leute auf die schiefe Bahn gebracht habe, fühle ich mich verpflichtet, einige wieder auf den richtigen Weg zurückzuholen.«
Horatio erhob sich. »Ich weiß Ihr Engagement zu schätzen. Ich hoffe, Ihre Klienten auch.«
»Bislang liegt die Rückfallquote bei unter fünf Prozent. Das ist nicht perfekt, aber …« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich bin auch nur ein Mensch, nicht wahr?«
»Wie wir alle«, entgegnete Horatio.
Die Vitality-Method-Klinik lag am nordwestlichen Rand von Miami, wo die Vororte langsam in die Sumpfgebiete übergingen, und die Anwohner sich bereits daran gewöhnt hatten, gelegentlich einen Alligator in ihrem Swimmingpool vorzufinden. Die dicken Reifen des Hummers knirschten auf dem weißen Muschelkies, mit dem die Einfahrt ausgelegt war. Als Horatio durch das schmiedeeiserne Tor fuhr, nahm ihn die Überwachungskamera ins Visier.
Er hielt mitten auf dem Platz vor dem großen Hauptgebäude an und fühlte sich eher an ein Herrenhaus erinnert als an eine Klinik. Horatio stieg aus, setzte seine Sonnebrille ab und sah sich um. Das Gebäude war von einer dichten Hecke umgeben, und auf der rechten Seite zweigte ein Weg, der hinter das Haus führte, von der Einfahrt ab.
Der Mann, der aus der
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