Cujo
wollte. Deshalb hat er ihm einen Napf voll Fressen hingestellt. Gaines Meal oder so etwas Ähnliches.
Aber dann fiel ihr das ein, was Joe Camber an diesem langen, langen Tag ebenfalls eingefallen war. Ein großer Hund würde auf einmal fressen und dann hungern. Gewiß wäre es besser, einen Freund zu bitten, den Hund zu füttern, während man abwesend war. Vielleicht hatte es ein Familientreffen gegeben, und Camber hatte sich besoffen und war ausgefallen. Vielleicht dies, vielleicht jenes. Es konnte alles Mögliche passiert sein.
Frißt der Hund in der Scheune?
(Was frißt er da? Gaines Meal? Menschen!)
Sie spuckte den Gurkenrest in ihre Hand und spürte, wie sich ihr der Magen zusammenzog und wieder von sich geben wollte, was sie schon gegessen hatte. Sie zwang sich dazu, es nicht zuzulassen, und es gelang ihr, denn wenn sie wollte, konnte sie sehr energisch sein. Sie hatten dem Hund sein Fressen hingestellt und waren mit dem Auto weggefahren. Um zu einer solchen Schlußfolgerung zu kommen, brauchte man nicht Sherlock Holmes zu sein. Der Rest war nichts als ein schlimmer Fall von schwachen Nerven.
Aber immer wieder beschlich sie die Vorstellung von Tod. Das dominierende Bild waren die blutgetränkten Sägespäne, Sägespäne, die die dunkle Farbe von Frankfurter Würstchen im Naturdarm angenommen hatten.
Schluß. Denk lieber an die Post, wenn du schon an irgend etwas denken mußt. Denk daran, daß du in Sicherheit bist.
Sie hörte ein leises, schlurfendes, kratzendes Geräusch an ihrer Seite des Wagens.
Sie wollte nicht hinschauen, tat es aber dann doch. Wie von kräftigen unsichtbaren Händen gepackt, drehte sie den Kopf zur Seite. Sie hörte das leise Knacken der Sehnen in ihrem Genick. Cujo war gekommen. Sein Gesicht war keine fünfzehn Zentimeter von ihrem entfernt. Nur das Sicherheitsglas des Fensters an der Fahrerseite trennte sie. Die trüben roten Augen starrten in ihre. Das Maul des Hundes sah aus, als hätte man es mit Rasiercreme eingeschäumt und dann trocknen lassen.
Cujo grinste sie an.
Ein Schrei staute sich in ihr und wollte ihr schmerzhaft in die Kehle steigen, denn sie spürte, daß der Hund seine Gedanken auf sie projizierte und ihr sagte: Ich kriege dich doch, Baby. Und auch dich kriege ich. Kleiner. Ihr könnt, so oft ihr wollt, an den Mann von der Post denken. Wenn nötig, töte ich auch ihn, wie ich alle drei Cambers getötet habe und wie ich dich und deinen Sohn töten werde. Ihr könnt euch ruhig an den Gedanken gewöhnen. Ihr könnt euch ruhig -
Der Schrei wollte sich lösen. Es war, als lebte er und wollte unbedingt hinaus. Alles stürzte zu gleicher Zeit auf sie ein: Tad hatte Pipi machen müssen, und sie hatte das Fenster zehn Zentimeter geöffnet, damit er rauspinkeln konnte. Sie hatte ihn dazu hochgehalten, aber es hatte nicht gleich geklappt, und ihre Arme waren lahm geworden. Dann der Traum, dann die Vorstellung von Tod, und nun dies -
Der Hund grinste sie an; er grinste sie an, er hieß Cujo, und sein Biß bedeutete den Tod.
Der Schrei mußte kommen
(aber Tad)
oder sie würde verrückt werden
(schlief)
Sie biß die Zähne zusammen gegen den Schrei, wie sie vorhin dem Drang, sich zu erbrechen, nicht nachgegeben hatte. Sie kämpfte. Und schließlich schlug ihr Herz ruhiger, und sie wußte, daß sie gewonnen hatte.
Sie lächelte den Hund an und spreizte beide Mittelfinger von den geballten Fäusten ab. Sie hielt sie gegen das von Cujos Atem leicht beschlagene Glas. »Du verdammter Scheißköter«, flüsterte sie.
Nach einer Zeit, die ihr wie eine Ewigkeit vorkam, nahm der Hurid die Pfoten vom Fenster und lief in die Scheune zurück. Und ihre Gedanken folgten wieder denselben dunklen Pfaden,
(was frißt er da!) und dann schlug sie irgendwo in ihrem Gehirn eine Tür zu.
Aber sie würde nicht mehr schlafen.können, und bis der
Morgen dämmerte, würde es noch lange dauern. Sie saß aufrecht am Lenkrad und zitterte. Immer wieder sagte sie sich, daß es lächerlich, wirklich lächerlich sei, den Hund für ein scheußliches, aus Tads Schrank entwichenes Gespenst zu halten und zu glauben, er wisse mehr über die Situation als sie.
In völliger Dunkelheit fuhr Vic hoch. Sein Atem ging schnell, und er hatte ein widerlich trockenes Gefühl im Hals. Sein Herz hämmerte, und er war total desorientiert, so desorientiert, daß er plötzlich zu stürzen glaubte und sich an der Bettkante festhielt.
Er schloß kurz die Augen und zwang sich zur Ruhe.
(du bist im)
Er öffnete
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