Culpa Mosel
ein entsprechend großes Fahrzeug erforderlich. Und sowas kommt für gewöhnlich nicht auf das Gelände.«
»Es sei denn, es handelt sich um eine Firma, die hier auf dem Gelände arbeitet«, schaltete sich Walde in das Gespräch ein. Er deutete aus dem Fenster auf den Rohbau, dessen Dachgebälk die Bäume überragte. Die Köpfe der Sparren liefen in kunstvollen Wellen aus. »Könnten wir eine Liste der Firmen haben, die in den letzten Monaten hier beschäftigt waren?«
Während Gabi mit einer Tasse Kaffee in der Hand darüber nachdachte, dass sie bei ihrem nächsten Arztbesuch fragen wollte, wie viele Tassen Kaffee pro Tag sie noch bedenkenlos trinken durfte, beobachtete sie, wie die beiden silbergrauen BMW der Mainzer Kollegen vom Hof fuhren. Grabbe war zum Landesmuseum gegangen, um sich dort umzuhören.
Auf dem Weg zu ihrem Schreibtisch legte sie sich eine Hand unter den Bauch und betrachtete das Schattenbild ihres Körpers in der Fensterscheibe.
In der obersten Schublade lag auf dem Telefonbuch eine Tüte Gummibärchen. Sie schob sich zwei von den roten in den Mund und googelte die Nummer des Amtes für Landwirtschaft und Weinbau.
Als Jo sich meldete, fragte sie mit einer Oktave nach unten verstellten Stimme: »Spreche ich mit Herrn Dr. Ganz im Kommissariat für Reblausbekämpfung?«
Am anderen Ende der Leitung blieb es einen Moment still. »Richtig kombiniert, Frau Kollegin. Was verschafft mir die Ehre?«
»Sie haben Walde gestern Abend einen Hinweis zu einem Fall gegeben, der uns zur Zeit beschäftigt.«
»Waren wir nicht schon mal beim Du?«, bemerkte Jo. »Oder galt das nur in den Räumlichkeiten der Gerüchteküche?«
»Nein, natürlich nicht, kannst du uns vielleicht weiterhelfen, es geht um …«
»Dein geschätzter Kollege Walde hat mich bereits ins Benehmen gesetzt. Wir haben für gewöhnlich keine Geheimnisse voreinander.«
»Dann ist es ja gut.« Jos gestelzte Ausdrucksweise ging ihr gehörig auf den Keks. Sie schob sich eine Ladung Gummibärchen in den Mund, knatschelte, so laut es ging, während sie weiterredete. »Du kennst dich doch mit dem Römerkram aus?«
»Das sagt man mir nach.«
»So fit wie der Typ zu sein scheint, den wir im Auge haben, könnte er in einer Römertruppe organisiert sein, bei irgendwelchen Gladiatoren- oder Legionärstruppen. Du weißt, was ich meine, solche Kerle, die hier bei Brot und Spiele auftreten und durch die Stadt marschieren.«
»Bei den Schaukämpfen der Gladiatoren treten die Ars Soundso aus Italien und eine Street Guard oder so ähnlich aus unserer englischen Partnerstadt Gloucester auf.«
Auf einmal schmeckten die Gummibären viel zu süß. Gabi zog ein Papiertaschentuch aus der Schublade und spuckte den zerkauten Brei hinein.
»Alles in Ordnung?«
»Hmh.« Gabi schob sich einen Kaugummi in den Mund.
»Bei der Pompa ist auch immer eine Gruppe aus der Bitburger Gegend dabei.«
»Was ist das?«
»Die Pompa ist ein großer Aufmarsch und führt von der Porta Nigra durch die Innenstadt zu den Kaiserthermen und zum Amphitheater, wo dann exerziert wird. Einem Wehrdienstverweigerer wie mir widerstrebt es, sich diesen militärischen Zirkus anzugucken.«
»Weißt du, wie sich diese Hobbyrömer nennen?«
»Legio XII Beda.«
»Wie?«
»Ich buchstabiere mal.«
Walde und Meyer folgten dem Tierparkchef zwischen den Schreibtischen hinter der Empfangstheke hindurch zu dessen Büro. Dort nahmen sie an einem langen, außergewöhnlichen Tisch Platz. Er war aus dem Stamm eines exotischen Baumes gefertigt, der nicht aus der Eifel stammen konnte. Walde fuhr mit der Hand über die glatt polierte Oberfläche, deren Seitenränder im Urzustand belassen waren.
»Auf den bin ich bei einer Safari in Australien gestoßen«, kommentierte Sudau nicht ohne Stolz, während er einen Ordner auf den Tisch legte.
Die modernen Stühle passten weder zu dem Tisch noch zu den zahlreichen Fotografien in dunklen Holzrahmen an den Wänden, die Sudau in verschiedenen Lebenssituationen zeigten, zumeist in Gesellschaft von Tieren, manche davon lebendig, manche tot.
»Da sind alle Baurechnungen von diesem Jahr drin«, erläuterte Sudau, während Meyer den kleinen Packen durchblätterte. »Sie sind von dem neuen Mehrzweckhaus, das Sie gesehen haben.«
Meyer blätterte die Belege durch. »Ich finde keine Rechnung vom Dachdecker.«
»Da ist ja auch noch kein Dach drauf.«
»Aber das Dachgebälk.«
»Da müsste ich mal schauen. Kann sein, dass die Rechnung beim Steuerberater
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