Cupido #1
gewechselt. Sie amüsierten sich zu gut, als dass sie über Berufliches reden konnten, und so ging Dominick vorbei, ohne Hallo zu sagen. Er sah sich um. Manny war nirgends zu sehen. Entweder er hatte sich im Gebüsch bei der Rollstuhlrampe versteckt, oder aber er war von Joe Neilson, dem fürchterlichen Chef der Gerichtsmedizin, bei lebendigem Leib ins Haus gezogen worden. Als Dominick an die Glastür kam, stellte er fest, dass Letzteres der Fall war.
Joe Neilson hatte Manny mit dem Rücken zu dem türkis–brau–nen Siebziger–Jahre–Sofa in der Lobby gedrängt und ihm damit den Fluchtweg abgeschnitten. Neilson trug seinen grünen Chirurgenkittel und eine mintgrüne Kopfbedeckung aus Zellstoff. Dominick sah, wie er aufgeregt redete, er gestikulierte wild vor Mannys Gesicht herum. Nach der Kleidung zu urteilen, war der gute Doktor im Keller bei der Arbeit gewesen, bevor er zu den Lebenden heraufgestiegen war. Wenigstens hatte er sich die Handschuhe ausgezogen, bevor er Detective Manny Alvarez die Hand schüttelte – der inzwischen ziemlich bleich war und aussah, als brauchte er dringend eine Kotztüte oder wenigstens eine Zigarette.
Edel, wie er nun mal war, rettete Dominick Manny aus den Klauen des Feindes. «Hallo, Dr. Neilson. Ich hoffe, ich habe Sie nicht warten lassen. Ich musste nur schnell telefonieren.»
Dr. Neilson ließ Manny stehen und schüttelte Dominick kräftig die Hand. «Nein, überhaupt nicht. Ich habe Detective Alvarez nur gerade gefragt, wie die Ermittlungen laufen. Und ich habe ihm gesagt, dass ich mich schon auf unser Treffen gefreut habe. Wir haben da etwas sehr Interessantes, das ich Ihnen unten zeigen muss.»
Joe Neilsons ungehemmte Begeisterungsfähigkeit für seinen Beruf war einer der Gründe, warum Manny Alvarez sich bei ihm so unwohl fühlte. Neilson war groß, sehr dünn und sehnig und hatte tiefliegende Augen. Dominick fragte sich, ob er als Kind AD S gehabt hatte, denn er war ein Mann, der nie stillsitzen konnte. Seine Hände, seine Füße, seine Gedanken, seine Augen, irgendwas bewegte sich immer. Wenn man ihn zu lange an einem Fleck festhielt, trat er von einem Fuß auf den andern, begann heftig zu blinzeln und mit der Nase zu zucken. Es war, als würde sein Kopf gleich explodieren.
«Sehr gut. Prado oder eine der anderen Frauen?»
«Also, im Moment habe ich mir Prado noch einmal vorgenommen. Aber ich habe die Akten der anderen herausgeholt und glaube, ich muss mir alle noch einmal ansehen, jetzt, wo ich weiß, wonach ich suche. Sollen wir loslegen, Kollegen?» Dr. Neilsons Augenbrauen hüpften auf und nieder, und er begann schneller zu zwinkern. Es war höchste Zeit. Der Zug musste abfahren. Jetzt sofort.
Manny sah fürchterlich elend aus. Er war richtig grün im Gesicht.
«Manny, geht's dir gut? Möchtest du lieber draußen bleiben?»
«Natürlich möchte er das nicht verpassen!», rief Neilson aufgeregt dazwischen. «Kommen Sie, Kollegen. Unten im Labor gibt es frischen Kaffee. Der wird sie aufmöbeln!» Dr. Neilson ging voran zum Fahrstuhl.
«Ja, ja, ich bin ja schon unterwegs.» Der Bär klang resigniert.
Die Fahrstuhltüren öffneten sich, und alle drei betraten die Stahlkammer, die groß genug war, eine Bahre zu befördern.
«Dr. Neilson, die Staatsanwältin wollte eventuell auch dazukommen. Ich habe ihr eine Nachricht hinterlassen ...» Doch der Arzt schnitt Dominick das Wort ab.
«C. J. Townsend? Die hat vor einer halben Stunde angerufen. Sie schafft es nicht. Sie kommt morgen oder übermorgen allein vorbei, wir sollen schon mal ohne sie loslegen. Sie hat im Gericht zu tun oder so was.»
Dr. Neilson drückte auf «U», und die Metalltüren schlossen sich leise. Dann glitt der Fahrstuhl in den Keller hinunter.
33.
Anna Prados Leiche lag mit geschlossenen Augen auf einem Stahltisch. Dominick musste an ihr Gesicht auf dem Familienfoto an der «Mauer» denken: Die einst cremeweiße Haut war jetzt aschgrau, und ihre hellen Sommersprossen auf der Nase waren unter der fahlen Totenblässe kaum noch zu sehen. Ihr langes blondes Haar umrahmte strahlenförmig Kopf und Schultern. Einige mit getrocknetem Blut verklebte Strähnen hingen von der Kante herunter. Ein weißes Laken bedeckte den Körper bis zum Hals und verbarg die Scheußlichkeit darunter.
«Als Sie gestern anriefen und sagten, sie hätten im Haus des Verdächtigen Haloperidol gefunden, habe ich noch ein paar Tests gemacht, und die Resultate sind heute Morgen gekommen.» Dr. Neilson stand
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