Curia
vergilben. Zu viel Licht. Er kurbelte einen Sonnenschutz herunter, bis sie vom Schatten bedeckt wurden. Konnte er das Risiko eingehen, nichts zu unternehmen? Sein Kiefermuskel spannte sich an. Seguramente no . Ab morgen würden sich die Numerarier des Opus Dei in London täglich in drei Schichten bei der unauffälligen Beobachtung des Obelisken abwechseln.
Er legte Handschuhe und Schürze ab und ging hinaus. Während er den Garten der Villa Tevere mit großen Schritten durchquerte, durchschnitt er die Luft mit einer imaginären Peitsche.
Kaum hatte sich die Tür geöffnet, leuchteten in der ganzen Wohnung die Lampen auf.
Théo ging ins Wohnzimmer, nahm eine Flasche Delamain Réserve und ein Glas aus der Cocktailbar, schob eine CD in den Spieler und setzte sich in den Sessel, die Beine auf ein Tischchen gelegt. Seine Hände begleiteten die Goldberg-Variationen von Glenn Gould.
Er nahm einen tiefen Schluck Cognac. Sein Blick fiel auf das Schwarz-Weiß-Foto über dem Kamin, das ihn im Innenhof des Hauses in Asfendiou auf dem Schoß seines Großvaters Nicky zeigte. Ein Geruch nach Pfeifentabak überdeckte das Aroma des Cognacs, und Nickys borstige Schnurrbarthaare stachen ihm ins Gesicht.
»Nein, nein, nein!«, schrie Théo weinend, während er versuchte, sich Alexia zu entwinden, die Vanko im Arm hielt. Er streckte die Arme nach Nicky aus, der ihnen mit feuchten Augen hinter der Absperrung zuwinkte. »Ich will bei Großvater bleiben. Fahr allein nach Paris! Großvater !«
»Théo, sei brav. Papa ist in Paris, wir werden alle zusammen sein, verstehst du das denn nicht? Wir werden eine Familie sein.«
»Das stimmt nicht! Papa ist nie da. Und Paris mag ich nicht. Meine Familie ist hier, bei dir und Großvater. Großvater !«
»Wir fahren jeden Sommer zu Großvater zurück. Das habe ich dir versprochen. Was soll dieses Theater?«
Théo riss sich mit einem Ruck los, rannte zurück durch das Gate, trat nach der Flughafenangestellten, die ihn festzuhalten versuchte, und flog Nicky in die Arme.
»Großvater, bitte halt mich fest! Lass mich nicht weggehen. Bitte, Großvater! Bitte!«
Dann sah er sich auf dem Treppenabsatz des Hauses am Boulevard Richard Lenoir, eine geschälte Apfelsine in der Hand, mit gesenktem Kopf an die Wand gelehnt. Vor seinen Füßen stand das kleine ferngesteuerte rote Auto, das jüngste Geschenk von Alexia und ein weiterer Versuch, ihn von seinem Hungerstreik abzubringen.
»Ah, quel joli enfant! Du musst Théo sein, mein neuer Nachbar«, sagte die Dame von der gegenüberliegenden Wohnungstür, während sie mit honigsüßer Miene sein Gesicht streichelte. »Ich bin Charlotte.«
»Fass mich nicht an!«, knurrte Théo zurückweichend.
Die Dame zuckte zusammen und zog ihre Hand blitzschnell zurück. » Mon Dieu !«
Mit aller Kraft warf Théo die Apfelsine gegen die makellos weiße Wand, wo sie zerplatzte.
Konsterniert starrte die Dame auf die Rinnsale aus Saft, die an der Wand herabliefen. »Théo, du wirst schon sehen, Paris gefällt dir. Wir werden es zusammen entdecken. Weißt du was? Deine maman und ich werden dich in den Park mitnehmen …«
»Sieh her, was ich mit deinem Paris mache!« Théo trat mit voller Wucht auf das Spielzeugauto, das platt gedrückt wurde wie ein Crêpe.
Die Angst im Dunkeln und die Schreie nach Alexia und Nicky mitten in der Nacht, die endlosen Tage im Kindergartengefängnis der Ursulinen – eine Idee seines Vaters –, die mürrischen Gesichter der Leute, der Gestank nach Benzin, das Grau einer Stadt, in der er zu ersticken glaubte …
Da sie wusste, wie sehr er Schiffe mochte, brachte Alexia ihn immer wieder in den Jardin du Luxembourg, damit er sich die Schiffchen mit den bunten Segeln auf dem runden Bassin anschauen konnte. Doch sie erinnerten ihn an Großvaters Boot und an die verlorene Welt von Kos: Seifenblasen hinter den Heugarben; der Geschmack von frisch gepflückten Weintrauben, die mit frisch gebackenem Brot gegessen wurden; der Geruch des Weinmosts im Keller, wo Nicky den Agiorgitiko aus Fässern abzapfte, während er ihm die Flaschen reichte; der Duft der Loukoumi, die in der Küche im Steinofen garten; das Gelb der sonnendurchglühten Weizenfelder …
Théo ging zum Bücherregal, überflog die Reihe der DVD s und zog Was vom Tage übrig bleibt heraus. Er schob sie in den DVD -Player, setzte sich wieder und drückte die Taste für schnellen Vorlauf. Als der Film zu der Szene kam, wo Stevens, der Butler – Anthony Hopkins –, und Miss
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