Cvon (Ushovar-Zyklus) (German Edition)
anhören, ablehnen und gehen. Warum sollte sie sich hetzen? Lorics Freund, dieser Naginar, kümmerte sich um Mynoras Waisenkinder, während Hsul einige Soldaten für den Metgesang abgestellt hatte. Es gab also absolut keinen Grund für übertriebene Eile.
Die Etherna ernährten sich offenbar mit Vorliebe von Insekten in allen Größen und Konsistenzen. Hroki behauptete zwar, dass Insekten auch für Menschen eine besonders gesunde Nahrungsquelle darstellten, aber Cvon war doch froh, als man ihr anstelle der farbenprächtigen Etherna-Gerichte ein saftiges Stück Braten, Salat und Früchte anbot. Nur Duice war abenteuerlustig genug, um die Insektenkost zu probieren und offensichtlich schmeckte es ihm sogar. Cvon würde Loric später fragen müssen, ob er seinem hünenhaften Freund übersetzt hatte, um was es sich handelte.
Während des Essens konnte sich Cvon davon überzeugen, dass Etherna offenbar mühelos in der Lage waren, gleichzeitig zu kauen, zu schlucken und zu reden. Und die Etherna neben ihr schien darüber hinaus einen unerschöpflichen Vorrat von interessanten, aber absolut unverbindlichen Geschichten auf Lager zu haben, mit denen sie die gesamte versammelte Gesellschaft während des Essens unterhielt.
„Und? War der erste Gang nach Eurem Geschmack?“, fragte Hroki, als nach ausgiebigem Gelage die schweren Steinteller abgeräumt wurden.
„Der erste Gang?“, entfuhr es Loric und Cvon wie aus einem Mund. Nur in Duices Gesicht zeichnete sich freudige Erwartung ab, als der andere Ork ihm eine Übersetzung zuflüsterte.
„Ja, sicher. Wir wollen doch nicht, dass jemand hungrig nach Hause gehen muss, oder?“
Die Kriegerin war ganz sicher, ob sich ihre kleine Gesprächspartnerin gerade über sie lustig machte. Bevor Cvon zu einer Entgegnung ansetzen konnte, öffneten sich die hohen Türen des Speisesaals erneut und große kupferne Schüsseln mit einer nach Pfirsich duftenden Flüssigkeit wurden hereingetragen.
Hrokis Augen blitzten erfreut auf. „Oh ja, das Shag‘il ist bereitet!“
„Ist das eine Suppe?“, fragte Loric mit ratloser Miene, als ein Diener ihm eine solche Schüssel unter die Nase hielt. Diener und Gastgeber verbargen nur schlecht ihre Heiterkeit, als ein vornehmer Diener eine Schüssel mit unziemlicher Hast vor Duices Löffel in Sicherheit brachte.
„Nein“, erklärte Hsul mit feierlichem Ernst in der Stimme. „Es dient der Entspannung und der Befreiung von Gaumen und Geist. Vor dem Höhepunkt der Tafel sollten alle Eindrücke, die die Sinne am vollen Genuss hindern könnten, ausgeschaltet werden.“
Loric war offensichtlich überfordert mit der Aufgabe, Duice diese Rede zu übersetzen und erntete nur einen verständnislosen Blick. Doch ehe es zu weiteren Missverständnissen kommen konnte, waren einige Diener bereits vor Hsul, Hroki und deren Leibwächter niedergekniet, befreiten deren Füße von vorhandenem Schuhwerk und stellten sie in die heiße, duftende Flüssigkeit. Die Etherna schlossen genussvoll ihre inneren Lider.
„Ein Fußbad?“, fragte Cvon etwas irritiert.
„Oh ihr Menschen habt so einen wundervollen Sinn für das Profane“, eröffnete Hroki lächelnd einen Vortrag über Hintergründe und Bedeutung des Shag’il für den ethernischen Geist.
Cvon entschloss sich, die Bedeutung des Wortes „profan“ nicht zu kennen und sich berieseln zu lassen. Außer Duice nahm jedoch keiner der Besucher das Angebot des Fußbades an.
„Denkt Ihr manchmal über die Zukunft nach?“ Hsuls Frage war so geschickt in eine der spärlichen Pausen Hrokis eingefügt, dass er sie nicht wirklich unterbrochen hatte. Der nüchterne Ernst in seiner Stimme drang mühelos über jede Höflichkeitsfloskel hinweg und machte jedem im Raum klar, dass der unverbindliche Teil des Abends soeben abgeschlossen worden war. Insgeheim hatte sich Cvon bereits gefragt, ob ihre Gastgeber den eigentlichen Grund ihres Hierseins vergessen hatten. Nach dem Höhepunkt des Abends – gefüllte Samtpilze aus Luthaan – waren zwei Gänge mit Süßspeisen gefolgt und sogar Rauschkräuter hatte man ihnen angeboten.
Hsuls kalte Reptilienaugen blickten sie durchdringend an und Cvon wusste, dass er den Abend sehr gut dafür genutzt hatte, sie einzuschätzen. Sie hasste es, von irgendwem beurteilt zu werden, aber ein Funkeln in seinem Blick hielt sie davon ab, unwillig zu reagieren. Cvon kannte dieses Funkeln. Es hatte oft in Mynoras Augen gestanden, wenn sie über Dinge gesprochen hatte, die ihr im tiefsten
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