Cvon (Ushovar-Zyklus) (German Edition)
Inneren wichtig gewesen waren.
Mit ernsten ruhigen Augen hielt sie seinem Blick stand. „Es ist schwer über die Zukunft nachzudenken, wenn man sich sorgen muss, dass alle mir Anvertrauten auch morgen noch genug zu essen haben.“ Ihre Worte kamen mit ungewollter Bitterkeit; sie hasste Selbstmitleid viel zu sehr, als dass sie ihm von ihren Problemen erzählen wollte. Aber ihr wurde plötzlich nur zu bewusst, wer er war. Er war einer der Kriegstreiber, deren Auseinandersetzungen schon so viele Unbeteiligte das Leben gekostet hatten. All die Kinder, die nach Mynoras Tod in ihre Obhut übergegangen waren, hatten an diese unsinnige Schlachterei ihre Eltern verloren und auch Mynoras Tod selbst war mittelbar das Ergebnis dieses schrecklichen Kriegsterrors. Einen winzigen Moment musste sie sich Mühe geben, nicht über den Tisch zu springen und Hsul in kleine Stücke zu zerhacken.
Doch obwohl Cvon ziemlich sicher war, dass er einen Teil dieser Gedanken in ihrem Blick gesehen hatte, nickte er nur ernst.
„Ich weiß.“
Sekundenlang sahen sie sich kalt in die Augen. Seit Langem war er der Erste, der ihrem Blick standhalten konnte, und Cvon merkte, wie sie erneut eingeschätzt wurde.
„Ich hingegen muss vor allem an die Zukunft denken und mich auf das Ziel meines Strebens konzentrieren.“
„Sicherlich werdet Ihr mir jetzt von der strahlenden Zukunft erzählen, die es wert ist, über all‘ diese Leichen zu gehen, um sie zu erreichen?“ Ihre Stimme war so kalt und schneidend, dass Hrokis Leibwächter, die Orks und die Wachen unwillkürlich die Köpfe einzogen. Nur die beiden Etherna hielten mit ausdruckslosen Gesichtern stand.
„Wenn ihr primitiv genug für derartige Rhetorik wäret, wäret Ihr nicht hier.“ Ungerührt, aber noch immer mit diesem dringlichen Leuchten im Blick, sah er sie an. Cvon runzelte die Stirn und lehnte sich zurück. „Die Menschen hier kümmern mich nicht. Mich interessiert auch nicht die Macht, die Menschen wohl darin sehen, dieses verwüstete Stückchen Boden zu beherrschen. Aber um das, was ich will, zu erreichen, muss ich Bedingungen in Vuna schaffen, die Euren Präferenzen vermutlich recht nahe kommen.“
Cvon war von seiner Offenheit so überrascht, dass ihre Bitterkeit etwas abebbte.
„Vielleicht erlaubt Ihr mir, Euch kurz die momentane Situation des Krieges zu skizzieren ...“ Ohne eine Entgegnung abzuwarten, winkte er einen Diener heran, der aus einer hinter einem Bild verborgenen Klappe eine detaillierte Landkarte hervorzog. Die Ausführung war meisterhaft. Es war lange her, dass Cvon etwas Vergleichbares gesehen hatte, doch der alte Etherna verfuhr mit dem kostbaren Pergament wie mit einem beliebigen Gebrauchsgegenstand.
„Wie Ihr seht, grenzt der Einzugsbereich Vunas im Norden, Süden und Osten an die Wasserwälder, wie sie die Elfen genannt haben. Im Westen befinden sich die anderen Teile des früheren Ghoshabas, die jetzt unter terzianischer Herrschaft stehen.“ Die durchdringenden Echsenaugen vergewisserten sich, dass Cvon seinen Ausführungen folgen konnte. Er bemerkte schnell, dass er der Kriegerin nichts Neues erzählte, und kürzte seine Erklärungen entsprechend ab.
„Wie Ihr seht, nutzt das Terzianische Reich den Bürgerkrieg, um sich der früheren Küste Ghoshabas zu bemächtigen. Bitte glaubt mir, wenn ich Euch sage, dass die Areol-Krone noch nie leicht zufriedenzustellen war. In Trake wird bereits ein großes Heer zusammengezogen, das schon sehr bald in Gorkiad einmarschieren und den Rest der Ghoshabischen Küste vereinnahmen wird. Sobald die Küste gesichert ist, wird Terzian auch den Rest Ghoshabas annektieren.“
Cvon klappte der Kiefer herunter. Sicherlich hatte sie von der Invasion im Westen gehört, doch war ihr nie wirklich bewusst geworden, dass das mächtige Terzian Interesse an dem vom Bürgerkrieg ausgebluteten Vuna haben könne. Ihr wurde bewusst, wie viel sinnloser all‘ das Töten gewesen war, als sie es bisher für möglich gehalten hatte. Sie spürte, wie der Zorn ihre Oberlippe zittern ließ, und ihre Augen hätten den Etherna augenblicklich zu Eis erstarren lassen, wäre dieser nicht bereits ebenso kalt wie sie gewesen.
„Das heißt, all das Morden und Plündern hat nicht einmal den Kriegstreibern etwas genutzt, weil hier demnächst sowieso alles terzianisch wird? Ist es das, was Ihr sagen wollt?“ Sie sprach sehr leise, doch ihre Worte hätten nicht anklagender klingen können, wenn sie von einem Tribunal-Diener auf dem Marktplatz
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