Cvon (Ushovar-Zyklus) (German Edition)
verbringen würde, liefen ihr wohlige Schauer über den Rücken.
Dann war es auch für sie an der Zeit, sich von ihrem Vater vorstellen zu lassen. Artig gesellte sie sich zu den Gästen und wartete darauf, dass ihr Vater die Vorstellung abschloss.
„Erlaubt mir die Ehre, Euch meine Tochter vorzustellen“, beschenkte er den Besuch mit einer unverdienten Höflichkeit, die Hroki erschauern ließ. Ja, ihr Vater war großzügig. Große Männer waren dies, weil sie keine Angst vor der Bedeutungslosigkeit haben mussten. „Hroki ist Trägerin des Platinbandes der Sui-Duorn.“ Obwohl die Besucher wohl kaum die Akademie von Makathon – geschweige denn deren Auszeichnungen für außergewöhnliche Leistungen – kennen dürften, beschämte Hroki die großzügige Würdigung ihrer Verdienste. Sie spürte, wie die Verlegenheit ihre Pupillen einen Herzschlag lang violett verfärbten. Doch trotz des Glücks, das sie angesichts seines Stolzes empfand, fiel sie natürlich nicht aus ihrer Rolle.
Artig begrüßte sie den Besuch nach Art der Menschen. Sie beugte respektvoll den Kopf, legte die kleinen Fäuste an die Stirn und streckte der unheimlichen Besucherin in einer fließenden Bewegung die Hände entgegen. Damit tat sie, als wäre die Halbwilde eine Gleichgestellte. Hroki hoffte inständig, dass sie mit dieser Ehrung nicht zu dick auftrug und die Andere womöglich verärgerte.
Doch anstatt – wie es bei den Menschen Sitte war – den Gruß zu erwidern, brachte die Fremde nur ein mürrisches „Hallo“ hervor und machte Anstalten, die höfliche Begrüßung abzukürzen. In der Gosse mochte dies womöglich üblich sein. Doch bevor die Fremde entgleisen konnte, unterbrach der Hausherr mit genau der richtigen Bestimmtheit und führte die Begrüßung auf einem gerade noch erträglichem Niveau zu Ende.
„Hroki, bitte heiße unseren Besuch in unserem Heim willkommen. Dies ist Cvon, die edle Kämpferin, von der ...“
„Es langt jetzt, glaube ich.“ Ihre Stimme kratzte leicht in der Kehle und war offensichtlich niemals gefördert worden. Jeder Laie konnte hören, dass sie bei weitem nicht das volle Potential ihrer Lungen ausnutzte. Sie zerriss den Mantel der kultivierten Höflichkeit so nachhaltig, dass ihr Vater einen Sekundenbruchteil beinahe konsterniert aussah. Sogar die Wachen waren zusammengezuckt.
„Ich bin nicht für diesen Zirkus hergekommen. Ich will wissen, was du von mir willst, und dann gehen wir wieder.“
Die unpassend vertrauliche Anrede kam so plötzlich, dass Hroki der Mund offen stehen blieb. Ihr Vater hatte sich jedoch meisterhaft unter Kontrolle und schon wieder sein huldvolles Lächeln im Gesicht. Sein Geist hatte eine ruhige, wenn auch etwas unwillige Schwingung, als er sie telepathisch berührte.
„Ich denke, du solltest deinen berauschenden Charme einsetzen, mein Kind.“
„Ja, Vater. Gräme dich nicht. Menschen sind die Sklaven ihrer Launen.“ Instinktiv hatte Hroki erfasst, wie sie der Menschenfrau ihre Unhöflichkeit mit gleicher Münze heimzahlen und gleichzeitig die Situation entschärfen konnte. Schließlich war sie eine Etherna und verfügte damit über eine besondere Sensibilität. Sie sah sofort, wenn jemand nicht angefasst werden wollte. Mit spielerischer Leichtigkeit setzte sie ihr strahlendstes Lächeln auf, klemmte sich lachend den Unterarm der unheimlichen Kriegerin unter den Arm und zog sie plappernd mit sich zum Tisch.
„Ja, Cvon, Papa ist immer sehr förmlich bei solchen Anlässen. Ich finde das auch sehr angestaubt und ...“
Sie waren schon zwei Schritte gegangen, bevor die Menschenfrau erste Anstalten machte, sich zu wehren.
„Moment mal, ich ...“
„Natürlich wirst du neben mir sitzen. Schließlich muss ich dich ja kennen lernen, nicht wahr? Weißt du ...“
Sie standen schon neben dem Stuhl, den Hroki ihrem Gast zugedacht hatte, als sich Cvon endlich energisch wehrte und ihre Hand abschüttelte.
„Ich habe gerade gesagt, dass ich nichts essen will.“
Hroki sah sie mit großen unglücklichen Augen an. Ihr war vollkommen bewusst, dass Cvon nicht wirklich wissen konnte, ob sie ein Kind oder eine greise Etherna vor sich hatte. Die Kriegerin war sichtlich irritiert.
„Habe ich etwas Falsches gesagt?“, erkundigte sie sich scheinheilig und brach abermals das unausgesprochene Berührungstabu, indem sie ihre Hand ergriff. „Oh bitte sei nicht verärgert. Ich habe mich so auf dieses Essen gefreut.“ Im Augenwinkel nahm sie befriedigt wahr, dass die beiden
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