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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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nicht mit mir reden.«
    Maria konnte es nicht glauben. »Deshalb bist du gekommen? Um mir zu sagen, daß du die Stelle in Seoul ablehnen würdest, wenn ich wegen meiner Mutter hierbleiben wollte?«
    »Ja.« Es klang, als hätte Maria das eigentlich schon die ganze Zeit wissen müssen. »Sie wird sterben. Glaubst du im Ernst, ich würde einfach verschwinden und dich alleine mit deinen Sorgen sitzen lassen? Wofür, zum Teufel, hältst du mich eigentlich?«
    Sie wird nicht sterben, sie wird ihren Scan bekommen.
    Aber das sagte sie nicht. »Francesca ist es gleich, ob ich gehe oder nicht. Ich habe ihr angeboten, bei ihr zu wohnen, aber sie möchte niemanden um sich haben, der sie pflegt – und mich schon gar nicht.«
    »Dann komm mit nach Seoul.«
    »Und warum, ganz ehrlich? Weil du ein schlechtes Gewissen hast, wenn du mich zurückläßt? Das ist doch der einzige Grund! Dein Seelenfrieden!«
    Aden dachte eine Zeitlang nach. Dann sagte er: »Na schön. Zum Teufel mit dir. Dann bleib eben hier!«
    Er stand auf und verließ das Zimmer. Maria hörte, wie er an seinem Rad hantierte und dann die Haustür öffnete. Krachend schlug er sie hinter sich zu.
    Sie räumte die Küche auf, sperrte Türen und Fenster zu und löschte das Licht. Dann ging sie nach oben und ließ sich im Dunkeln auf ihr Bett fallen. Sie versuchte sich auszumalen, wie es in den nächsten Wochen weitergehen würde. Aden würde vor seiner Abreise noch einmal anrufen und versuchen, sich mit ihr zu versöhnen. Aber sie sah, wie leicht es nun sein würde, ihrer Beziehung ein Ende zu machen. Für immer. Und wie die Dinge standen, erschien es ihr als das Beste. Es tat nicht weh, sie fühlte sich nicht erleichtert – nur beruhigt. So ging es immer: Sie zerstörte Brücken hinter sich, jagte Leute davon. Vereinfachte ihr Leben.
    Nach der Lektüre von Durhams ROM-Chip hatte sie das Terminal eingeschaltet gelassen; der Schirm war leer und dunkel. Als ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, schien er in leichtem Grau zu schimmern. Hin und wieder blitzte an zufälligen Stellen ein winziger Lichtpunkt auf – ein Pixel, das durch einen Treffer von kosmischer Hintergrundstrahlung aktiviert wurde. Sie beobachtete die Blitze, die wie Regentropfen gegen das Fenster zu einer anderen Welt prallten, bis sie schließlich in Schlaf sank.
     

11
    (Vergib nicht den Mangel)
    Januar 2051
     
    Malcolm Carter zeigte sich in Gestalt eines großen, kräftigen und energisch blickenden Mannes in den besten Jahren – und da er tatsächlich achtundfünfzig Jahre zählte, durfte man annehmen, daß sein Äußeres sich im großen und ganzen an seiner wirklichen Erscheinung orientierte. Peer erinnerte sich, daß er in den frühen dreißiger Jahren Fotos von Carter gesehen hatte – er war schon damals eine bekannte Persönlichkeit, hatte sich als einer der ersten Programmarchitekten der Bedürfnisse von Kopien angenommen. Die meisten Designer hatten sich damals noch damit beschäftigt, für menschliche Besucher der Virtuellen Realität zu arbeiten, die es nur zur Unterhaltung oder in Ausübung ihres Berufs dorthin verschlug. Das hieß nicht, daß Carter nicht auch für Besucher gearbeitet hätte – Besucher wie Kate, die sich auf den Übergang in diese Welt vorbereiteten. Kate und Carter kannten sich bereits, sie hatten eine ähnliche Karriere hinter sich – eine junge Computerkünstlerin, deren Stern im finsteren Oregon wie eine Nova aufgeleuchtet war und sie mitten in die Schickeria San Franciscos geführt hatte, zur gleichen Zeit, als dem aufstrebenden Carter das Softwareunternehmen in Arizona zu eng und anspruchslos geworden war. Peer war nicht sicher, ob er den Mann nach den alten Zeitungsfotos wiedererkannt hätte; andererseits würde heute niemand mehr so aussehen wie in den Dreißigern, wenn er es ändern konnte.
    Carter schüttelte Peers Hand und nickte Kate freundlich zu. Peer fragte sich – aus purer Neugier, keineswegs eifersüchtig –, ob sie sich vielleicht in einer anderen, eher privaten Version dieser Szene herzlicher begrüßen würden. Sie standen in einer geräumigen Empfangshalle, deren Wände und hohe Decke ein Muster aus aneinandergereihten konzentrischen Kreisen zierte, das in den cremefarbenen Stuck eingearbeitet war. Der Boden war mit rautenförmigen Fliesen in Schwarz und Weiß ausgelegt. Dies war Carters offizielle VR-Adresse; jedermann konnte seine Nummer wählen und »herkommen«. Es gab verschiedene Versionen des Raums für verschiedene Klienten;

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