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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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nicht einfach an seiner Geschichte festhalten?«
    »Vielleicht wird er das, aber Sie könnten auch eine Überraschung erleben: Vielleicht wünscht er sich verzweifelt jemanden, den er ins Vertrauen ziehen kann – jemanden, vor dem er mit seiner Idee prahlen kann. Oder er gibt Ihnen einige indirekte Hinweise … Alles ist möglich, solange Sie im Gespräch mit ihm bleiben.«
    Noch eine ganze Weile, nachdem Detektiv-Sergeantin Hayden gegangen war, saß Maria im Wohnzimmer. Sie war viel zu aufgeregt, um etwas anderes zu tun, als sich immer und immer wieder die ganze Unterredung durch den Kopf gehen zu lassen. Eine Stunde zuvor war sie todmüde gewesen – aber stolz und siegesgewiß; jetzt fühlte sie sich ausgelaugt und schrecklich dumm. Machen Sie weiter, als wäre nichts geschehen! Die Vorstellung, A. lamberti aus keinem anderen Grund zur Photosynthese zu bewegen als sich bei der Polizei anzubiedern, war so absurd, daß sich in ihrem Kopf alles drehte.
    Ein Jammer, daß Durham nicht ehrlich gewesen war und sie nicht zur Mitwisserin gemacht hatte. Hätte sie gewußt, daß sie ihm dabei helfen sollte, einigen steinreichen Kopien das Geld aus den Taschen zu ziehen, dann hätte sie wenigstens jenen konkreten Grund für ihre Arbeit gehabt, der ihr so fehlte.
    Schließlich ging sie nach oben, ohne zu Abend gegessen zu haben. Die Verbindung zum SNV hatte sich automatisch abgeschaltet, aber die Nachricht JUNOs, unmittelbar in ihrem Terminal generiert, schwebte noch immer in der Arbeitszone. Während sie den Rechner mit einem Wink abschaltete, grübelte sie darüber nach, ob sie Detektiv-Sergeantin Hayden nicht doch hätte fragen sollen: Haben Sie veranlaßt, daß meine Datenleitung überwacht wird?
     

14
    (Vergib nicht den Mangel)
    Februar 2051
     
    Thomas Riemann saß in der Bibliothek und betrachtete die Nachrichtenzusammenfassung, die sein Expertensystem aus den Ereignissen der letzten Woche (echter Zeit) zusammengestellt hatte. Eine Journalistin mit Pelzkragen stand in leichtem Schneetreiben vor der Kamera, im Hintergrund sah man die Kolonnaden des Obersten Bundesgerichts in Washington, D. C. –, obwohl sie höchstwahrscheinlich in ihrem wohlig warmen Studio saß und eine Softwaremarionette den Text aufsagte.
    »Die heutige Entscheidung mit fünf gegen eine Stimme bedeutet, daß das umstrittene kalifornische Gesetz in Kraft bleibt. Behörden, die elektronische Speichermedien beschlagnahmen, um sie auf Simulationen von Gehirn, Körper oder Persönlichkeit eines Verdächtigen – tot oder lebend – zu überprüfen, verletzen nicht die im vierten Zusatz zur Verfassung verbrieften Rechte der nächsten Angehörigen oder des Eigentümers der Hardware. Die Vorsitzende Richterin Andrea Steiner betonte, daß die Entscheidung den rechtlichen Status der Kopien selbst in keiner Weise berühre. Die Software, sagte sie, könne beschlagnahmt und geprüft werden, doch könne ihr nicht der Prozeß gemacht werden.«
    Das Bild verschwand, und ein Menüsymbol erschien auf dem Schirm. Thomas streckte seine Arme hoch über den Kopf und war sich für einen Augenblick voll des Widerspruchs zwischen seiner gebrechlichen Erscheinung und der mühelosen Kraft seiner Bewegungen bewußt. Aber schließlich war er wieder zu dem jungen Mann geworden, der er einmal war. Ein junger Körper, auch wenn er vorzog, es äußerlich nicht sichtbar werden zu lassen. Aber der Gedanke führte zu nichts.
    Thomas hatte die Geschichte dieses kalifornischen Gesetzes von Anfang an verfolgt. Er hoffte, daß Sanderson und ihre Kollegen wußten, was sie da taten; wenn der Schuß nach hinten losging, würden alle Kopien, gleich in welchem Land, vor einem ganzen Berg zusätzlicher Probleme stehen. Thomas' eigenes Programm ÖFFENTLICHE MEINUNG zuckte bei dem Thema nur die stochastischen Schultern und erklärte, daß die Folgen des Gesetzes so oder so interpretiert werden könnten – je nachdem, welche weiteren Maßnahmen man ergriff, ganz abgesehen von verschiedenen anderen, nicht vorherseh- oder manipulierbaren Faktoren.
    Offensichtlich hoffte man, das apathische Wählervolk der Vereinigten Staaten für den Kampf um die Menschenrechte von Kopien aufzurütteln – angesichts der Alternative, die de facto Kidnapping, Gedankenspionage oder gar Exekution bedeutete, alles ohne Gerichtsurteil. Natürlich wußte jeder, der mit Computern umgehen konnte, wie nutzlos ein solches Gesetz in der Praxis war – aber die Leute waren schon so gut wie überredet. Die Einschaltquoten

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