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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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die Pixies im Mudd Club, zusammen stiegen sie die Treppen bis zum Dach des Manhattan-Chase-Gebäudes hinauf.
    Martin wurde fünfundzwanzig. Sein Vater übertrug ihm mehr an Verantwortung. Seine Mutter sagte: »Nun sieh mal, wieviel graue Haare du bereits hast!«
    Im Frühjahr war Erik plötzlich verschwunden. Anna sagte leichthin: »Seine Mutter ist weggezogen, sie wohnen nicht mehr hier.«
    Thomas vermißte den Kleinen, er hatte ihn liebgewonnen. Er sagte zu Anna: »Weißt du, ich habe mir vorgestellt, daß es vielleicht dein Kind ist.«
    Sie war verblüfft. »Wieso denn? Ich habe dir doch gesagt, daß es nicht meines ist. Warum hätte ich lügen sollen?«
    Thomas konnte nicht mehr richtig schlafen. Er versuchte sich seine Zukunft auszumalen. Würde er dann immer noch alle zwei Wochen zu Anna nach Hamburg fahren, wenn sein Vater gestorben war, während sie in der Zwischenzeit mit Heroin handelte und mit Zuhältern und Junkies herumvögelte? Der Gedanke machte ihn krank. Nicht, weil er nicht wollte, daß alles beim alten blieb, sondern weil er wußte, daß es unmöglich war.
    An diesem Samstag im Juni lag ihre erste Begegnung im Bahnhofscafé schon fast zwei Jahre zurück. Am Nachmittag besuchten sie einen Flohmarkt, und er kaufte billigen Schmuck für sie. Sie sagte: »Wenn er teurer wäre, würdest du mich nur in Verlegenheit bringen.«
    Sie aßen in einem Schnellrestaurant und gingen tanzen. Es war schon halb zwei, als sie zu Annas Wohnung zurückkehrten. Sie tanzten weiter, schwankten durch kleine Wohnzimmer, hielten sich aneinander fest – mehr aus Müdigkeit als wegen des Alkohols.
    Thomas sagte: »Mein Gott, bist du schön!« Heirate mich!
    Anna sagte: »Ich möchte dich um einen Gefallen bitten. Ich habe den ganzen Tag gebraucht, um meinen Mut zusammenzunehmen .«
    »Alles was du willst.« Heirate mich!
    »Es geht um … einen Freund von mir. Er hat eine ganze Menge Bargeld. Fast zweihunderttausend Mark. Er braucht jemanden, um …«
    Thomas wich einen Schritt zurück und gab ihr eine heftige Ohrfeige. Er war entsetzt. Er hatte sie noch nie vorher geschlagen, der Gedanke daran war ihm völlig fremd. Sie bearbeitete seine Brust und sein Gesicht mit den Fäusten; er stand da und ließ sie eine Weile gewähren. Dann packte er ihre Handgelenke.
    Sie rang nach Luft. »Laß mich los!«
    »Es tut mir leid.«
    »Dann laß mich los!«
    Er hielt sie weiter fest. Er sagte: »Ich bin nicht dazu da, für deine Freunde Geld zu waschen.«
    Sie lächelte ironisch. »Oh, was habe ich nur getan? Deine hohen moralischen Prinzipien in den Schmutz gezogen? Es war nur eine Frage. Du hättest dich nützlich machen können. Vergiß es, ich hätte wissen müssen, daß es zuviel verlangt ist.«
    Er zog sie näher an sich heran. »Wo wirst du in zehn Jahren sein? Im Gefängnis? Auf dem Grund der Elbe?«
    »Du kannst mich mal.«
    »Wo? Sag es mir!«
    Sie sagte: »Es gibt Schlimmeres. Ich könnte mich mit einem Bankier im mittleren Alter verheiratet wiederfinden und die glückliche Ehefrau spielen.«
    Thomas schleuderte sie gegen die Wand. Sie rutschte aus und schlug mit voller Wucht mit dem Kopf gegen die Mauer.
    Thomas kniete ungläubig neben ihr nieder. In ihrem Hinterkopf klaffte ein großes Loch. Sie atmete noch. Er tätschelte ihre Wangen, versuchte, ihre Lider zu öffnen, aber er sah nur das Weiß ihrer verdrehten Augen. Sie saß halb aufgerichtet mit gespreizten Beinen auf dem Boden, den Kopf gegen die Wand gelehnt, in einer großen Blutlache.
    Er sagte: »Denk nach, denk nach. Aber schnell.«
    Dann hockte er sich über sie, die Knie rechts und links von ihr, nahm ihr Gesicht in beide Hände und schloß seine Augen. Er nahm ihren Kopf nach vorn und schlug ihn mit aller Kraft zurück gegen die Wand. Fünfmal. Ohne die Augen zu öffnen, hielt er die Finger vor ihre Nasenlöcher. Sie atmete nicht mehr.
    Er schob sich von ihr weg, drehte sich um und öffnete zum ersten Mal wieder die Augen. Er ging durch die Wohnung und wischte alles, was er berührt haben konnte, mit seinem Taschentuch ab. Er vermied es, zu Anna hinzusehen. Er weinte und zitterte am ganzen Leib, aber in seinem Kopf war nur Leere.
    Überall klebte Blut, an seinen Händen, an Hemd, Hose und Schuhen. Er fand eine Mülltüte und stopfte seine Kleider hinein, dann wusch er das Blut von seiner Haut. Ein schwarzer Schatten lag über dem Zentrum seines Gesichtsfeldes, aber wenn er die Dinge aus dem Augenwinkel betrachtete, dann ging es. Er legte die Mülltüte in seinen

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