Cyberabad: Roman (German Edition)
die Hochzeitsgeschenke von seinen Arbeitskollegen waren, sind auf den jeweiligen Seiten des Bettes angeordnet. Das teure Exemplar des Kamasutra , die Pflichtlektüre eines Ehepaars, liegt auf dem Nachttisch. Das glattgezogene Bettlaken ist ordentlich zurückgeschlagen.
Mr. Nandha beugt sich herab, um am Laken zu schnuppern. Nein. Er will gar nicht wissen, ob hier ein Anzeichen von Schuld zu finden ist. Er öffnet die Schiebetüren des Holzschranks, macht eine Inventur, was mitgenommen und zurückgelassen wurde. Die goldenen, blauen, grünen Saris, die reinweiße Seide für besondere Anlässe. Das wunderschöne scharlachrote Choli, das er so gern an ihr gesehen, das ihn von der anderen Seite eines Raumes oder einer Gartenparty begeistert hat. Sie hat all die gepolsterten, parfümierten Bügel mitgenommen und die billigen dagelassen, die sich zu flachen Rhomben verbogen haben. Mr. Nandha geht in die Knie, um sich das Schuhregal anzusehen. Es ist größtenteils leer. Er nimmt einen Slipper in die Hand, mit weicher Sohle, aus Satin und Goldfäden gearbeitet, streicht mit den Fingern über die Spitze, die weiche, wie eine Brust gewölbte Ferse. Er stellt ihn zurück. Er kann ihre hübschen Schuhe nicht ertragen.
Er schließt die Schiebetür vor den Kleidern und Schuhen, aber es ist nicht Parvati, an die er denkt, sondern seine Mutter, wie er sie am Ghat verbrannte, den Kopf kahlgeschoren und ganz in Weiß gekleidet. Er denkt daran, wie es anschließend in ihrem Haus war, die Schmerzlichkeit ihrer Kleider und Schuhe im Schrank, mit einem Mal überflüssig geworden, all ihre Vorlieben im Tod entblößt.
Die Nachricht klebt am Regal in der Küche, wo seine ayurvedischen Tees und Diätartikel aufbewahrt werden. Er stellt fest, dass er sie dreimal gelesen hat, ohne mehr zu verstehen als die offensichtliche Bedeutung, dass sie fort ist. Er kann die Worte nicht zu Sätzen verbinden. Gehe fort. Tut mir so leid. Kann dich nicht lieben. Suche nicht nach mir. Zu nahe. Zu viele Worte, die viel zu nahe beieinander stehen. Er faltet den Zettel zusammen, steckt ihn in die Tasche und steigt die Treppe zum Dachgarten hinauf.
Auf der freien Fläche, im grauen Licht, unter den Augen seiner Nachbarn und kybernetischen Avatare spürt Mr. Nandha, wie sich seine zusammengeballte Wut aus ihm erbricht. Am liebsten würde er den Mund öffnen und alles in einem ekstatischen Strom aus sich hinausfließen lassen. Sein Magen hebt sich, er kämpft dagegen an, bekommt ihn unter Kontrolle. Mr. Nandha unterdrückt die krampfhafte Übelkeit.
Was ist das für ein widerlicher chemischer Geruch? Trotz seiner Disziplin hat er einen Moment lang das Gefühl, dass sein Magen sich gegen ihn durchsetzen könnte.
Mr. Nandha kniet auf der Kante eines Hochbeets, steckt die Finger in die klebrige Erde. Sein Palmer klingelt. Mr. Nandha kann sich nicht vorstellen, was dieses Geräusch bedeuten könnte. Dann veranlasst ihn die wiederholte Nennung seines Namens, die Finger aus der Erde zu ziehen, auf das nasse Dach in der Abenddämmerung von Varanasi zurückzukehren.
»Nandha.«
»Chef, wir haben sie gefunden.« Viks Stimme. »Gyana Chakshu ist vor zwei Minuten auf sie gestoßen. Sie ist hier in Varanasi. Chef, sie ist Kalki. Wir haben alle Puzzleteile zusammengesetzt. Sie ist die Kaih. Sie ist die Inkarnation von Kalki. Ich lasse den Senkrechtstarter einen Umweg fliegen, damit er Sie abholt.«
Mr. Nandha richtet sich auf. Er blickt auf seine Hände, wischt sich an den Holzschwellen den Dreck ab. Sein Anzug ist fleckig, zerknittert, durchnässt. Er kann sich nicht vorstellen, sich jemals wieder trocken zu fühlen. Doch er zupft seine Manschetten zurecht, rückt seinen Kragen gerade. Er nimmt die Waffe aus der Innentasche und lässt sie entspannt an seiner Seite hängen. Die frühen Neonreklamen von Kashi schnattern und flackern zu seinen Füßen. Er muss seine Arbeit tun. Er hat einen Auftrag zu erfüllen. Er wird alles so gut bewältigen, dass nie wieder jemand etwas gegen Nandha vom Ministerium sagen kann.
Der Senkrechtstarter sinkt zwischen den großen Wohn komplexen herab. Mr. Nandha sucht im Treppenhaus Schutz, während das Flugzeug über dem Dach langsamer wird und die Triebwerke schwenkt. Vik sitzt auf dem Platz des Kopiloten, als die Maschine in den Schwebemodus geht, das Gesicht durch die Konsolen- LED s dramatisch von unten beleuchtet. Das Dach kann unmöglich einen Senkrechtstarter der Bharati Air Force tragen. Also lässt die Pilotin ihn
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