Cyberabad: Roman (German Edition)
fühlen Sie sich hier wie zu Hause. Ich habe Gäste aus allen Gesellschaftsschichten, aus Varanasi und anderswo.« Sie pflückte eine daumengroße Banane von einem breitblättrigen Trieb, schälte sie und bot sie Thal an. »Essen Sie, nur zu. Sie wachsen wild.«
»Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber ...«
»Sie wollen wissen, was sie bewirkt. Sie stimmt Sie darauf ein, wie wir hier sind. Mit einer fängt man an, so machen wir es hier. Es gibt viele Varietäten, aber mit denen an der Tür fängt man an. Die übrigen werden Sie auf Ihrer Reise kennenlernen. Entspannen Sie sich, mein Hübsches. Sie sind hier unter Freunden.« Sie bot erneut die Banane an. Als Thal sie annahm, bemerkte ys den Plastikring hinter dem rechten Ohr der gealterten Frau. Der geneigte Kopf, der ausweichende Blick fanden damit eine Erklärung. Ein Blindenhoek. Thal nahm einen Bissen von der Banane. Sie schmeckte nach Banane. Dann wurde ys sich der Details in den Holzschnitzereien bewusst, des Musters der Kacheln, der Farben und der Webart der Dhuris. Die einzelnen Teile der Musik wurden unterscheidbar, wie sie umeinander herschlichen und sich ineinander verschlangen. Eine Verschärfung der Fokussierung. Eine Steigerung der Bewusstheit. Ein Leuchten im Hinterkopf wie ein inneres Lächeln. Thal verzehrte den Rest der Banane mit zwei Bissen. Die alte blinde Frau nahm die Schale entgegen und legte sie in einen kleinen Abfallbehälter aus Holz, der bereits halb mit schwarz werdenden, duftenden Schalen gefüllt war.
»Ich suche nach jemandem. Tranh.«
Die schwarzen Augen der alten Frau wanderten über Thals Gesicht.
»Tranh. Reizendes Wesen. Nein, Tranh ist nicht hier. Noch nicht. Aber Tranh wird irgendwann hier sein.« Die alte Frau verschränkte vor Freude die Hände ineinander. Dann setzte die Wirkung der Banane ein, und Thal spürte, wie sich eine entspannte Wärme von sys Agnya-Chakra ausbreitete. Ys klinkte sich wieder in sys Musik ein und erkundete den seltsamen Club. Auf den Balkonen standen niedrige Diwane und Sofas, für intime Gesprächsrunden um Tische arrangiert. Für jene, die keine Bananen nahmen, gab es elegante Hookahs aus Messing. Thal trieb an einer Gruppe Neuts vorbei, die im Rauch zeitlupten. Sie wandten ys die Köpfe zu. Es waren viele Genderliche da. In der Ecknische war eine Chinesin in sehr schönem schwarzem Anzug damit beschäftigt, ein Neut zu küssen. Sie hatte ys rücklings auf den Diwan gedrückt. Ihre Finger spielten mit der hormonellen Gänsehaut auf sys Unterarm. Irgendwo überlegte Thal, dass ys gehen sollte, wirklich, aber das Einzige, was ys empfand, war eine warme Dislokation. Noch eine Banane, dachte ys, wäre gut.
Eine Frucht von der Säule ganz links schenkte ys einen kurzen, intensiven Schwall von Wohlgefühl. Thal trat vorsichtig an den Rand des Pools, um zu den gestaffelten Balkonen aufzublicken. Je höher man kam, desto weniger Kleidung benötigte man, schlussfolgerte ys. Das war völlig in Ordnung. Alles war in Ordnung. Hatte auch die blinde Frau gesagt.
»Tranh?«, wandte sich Thal an ein Knäuel von Körpern, die sich rund um ein duftendes Hookah versammelt hatten. Ein schmerzlich junges und hübsches Neut mit feinen ostasiatischen Zügen lugte aus einem Gewühl männlicher Körper hervor. »Entschuldigung«, sagte Thal und ließ sich weitertreiben. »Hast du Tranh gesehen?«, fragte ys eine nervös wirkende Frau, die neben einem Sofa voller lachender Neuts stand. Alle blickten auf und starrten ys an. »Ist Tranh schon hier?« Der Mann stand vor der dritten magischen Bananenranke. Er war nüchtern in einen halboffiziellen Abendanzug gekleidet, Jayjay Valaya, vermutete Thal aufgrund des Schnitts. Ein kluger Mann, schlank, in mittlerem Alter, aber er pflegte seine Haut. Feine, ästhetische Züge, dünne Lippen, intelligenter Blick in den unruhigen Augen. Die Augen, das Gesicht waren nervös. Seine Hände, stellte Thal mittels der wundersamen Macht der Banane fest, die alles in eine sinnvolle Perspektive rückte, waren perfekt manikürt und zitterten.
»Wie bitte?«, fragte der adrette Mann zurück.
»Tranh. Tranh. Ist ys hier?«
Der Mann sah ys perplex an, dann pflückte er eine Banane von der Faust neben seinem Kopf. Er bot sie Thal an.
»Ich suche nach jemandem«, sagte Thal.
»Nach wem?«, fragte der Mann und bot erneut die Banane an.
Thal wischte sie mit der Hand weg. »Tranh. Haben Sie? Nein ...« Thal entfernte sich bereits.
»Bitte!«, rief der Mann ys nach und hielt die
Weitere Kostenlose Bücher