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Cyclop

Cyclop

Titel: Cyclop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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»Wir müssen uns einen Schutz vor dem Sturm suchen«, schrie Pitt, die Stimme krächzend. »Kannst du laufen?«
    »Ich helfe ihm«, schrie Jessie zurück. Sie schob beide Arme um Gunns Hüfte, stemmte ihre Füße in den Sand und stützte ihn.
    Mit letzter Kraft schleppten sie sich zu einer Reihe von Palmen, die den Strand begrenzten.
    Jessie hatte irgendwo eine der Tauchermasken wiedergefunden, die sie jetzt trug, so daß sie die einzige war, die im Sturm und Regen etwas sehen konnte. Die anderen mußten die Augen zu schmalen Schlitzen zusammenpressen, um dem beißenden Sand zu entgehen.
    Auch hinter den Bäumen ließ der Hurrikan ihnen keine Atempause. Die Bäume wurden von der Gewalt des Sturmes fast bis auf den Boden gedrückt. Kokosnüsse und Blätter flogen an ihnen vorbei, so daß sie sich vorkamen wie auf einem Schlachtfeld unter Granatbeschuß.
    Pitt hatte den Kopf nach hinten gewandt und konnte kaum sehen, wohin er Giordino trug. Ehe er sich versah, hing er in einem Zaun aus Maschendraht. Jessie stoppte mit Gunn direkt neben ihm. Ein vorsichtiger Blick nach rechts und links den Zaun entlang zeigte keinerlei Öffnung.
    Ihn zu überklettern war ausgeschlossen. Der Zaun war wenigstens drei Meter hoch, und über den Maschen folgten drei Stacheldrähte.
    »Wohin jetzt?« schrie Jessie.
    »Sie gehen vor«, brüllte Pitt ihr ins Ohr. »Ich kann praktisch nichts sehen.«
    Sie nickte und führte den hinkenden Gunn nach links. Vom Sturm niedergedrückt schleppten sie sich weiter, Pitt noch immer Giordino auf den Schultern tragend. Zehn Minuten später waren sie noch keine hundert Meter weit gekommen. Pitt konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Seine Arme waren bereits gefühllos, und er hatte kaum noch die Kraft in den Fingern, Giordinos Körper zu halten. Er schloß die Augen und begann blind Schritt für Schritt zu zählen, seinen Weg mit der Schulter am Maschendraht entlang fühlend. Dann hörte er Jessie etwas rufen und öffnete vorsichtig ein Auge. Sie gestikulierte wild mit einem Arm und deutete nach vorne. Vor ihnen hatte der Sturm eine entwurzelte Palme auf den Zaun geworfen und ihn niedergedrückt. Fast im selben Moment wurde es rabenschwarz. Das letzte bißchen Licht verschwand, um sie herum war die Finsternis einer Hurrikan-Nacht. Mit übermenschlicher Kraft ertasteten sie sich den Weg über den umgestürzten Baum. Pitt mußte Giordino hinter sich herziehen. Hundert Meter, dann noch einmal fünfzig Meter, plötzlich schienen Gunn und Jessie vor ihm im Boden zu verschwinden. Pitt ließ Giordino los und ließ sich nach hinten sinken. Vor sich entdeckte er einen steilen Abhang zu einer schmalen Straße, eine Art Hohlweg. Irgendwo unter sich sah er zwei geduckte Gestalten.
    »Seid ihr verletzt?« brüllte er.
    »Nicht mehr als vorher.« Gunns Stimme wurde vom Sturm überdeckt, aber Pitt hörte deutlich, daß er beim Rufen die Zähne zusammenpressen mußte.
    »Jessie?«
    »Ich bin in Ordnung… glaub’ ich jedenfalls.«
    »Könnt ihr mir mit Giordino helfen?«
    »Wir versuchen es.«
    »Ich lasse ihn jetzt runter«, schrie Pitt. »Fangt ihn auf.«
    Pitt hielt Giordino so lange bei den Händen, bis die beiden unten seine Füße zu packen bekamen. Dann ließen sie ihn langsam über den Hang hinabgleiten. Sobald Giordino ausgestreckt auf dem Boden lag, rutschte Pitt ihm nach. Er sah sich sofort um. Die Straße bot einen gewissen Schutz vor dem Hurrikan. Der Sand wurde über sie hinweggeblasen, so daß Pitt wenigstens die Augen öffnen konnte. Die Oberfläche der Straße schien aus einbetonierten Seemuscheln zu bestehen und machte einen wenig benutzten Eindruck. In keiner Richtung ließ sich ein Licht erkennen. Aber das war keine Überraschung, denn man konnte davon ausgehen, daß mögliche Bewohner der Insel bei Herannahen des Hurrikans die Gegend verlassen hatten.Jessie und Gunn waren völlig erschöpft, ihr Atem klang kurz und keuchend.
    Pitt spürte, wie sein Herz in der Brust raste. Aber erschöpft und ausgelaugt, wie sie waren, dachte Pitt sich, war es das reinste Gottesgeschenk, wenigstens ein wenig Deckung vor dem Sturm gefunden zu haben.
    Zwei Minuten später begann Giordino zu stöhnen. Dann richtete er sich langsam auf und sah sich mit leeren Augen um.
    »Jesus, ist das dunkel«, murmelte er zu sich selbst, offenbar noch nicht wieder ganz bei Sinnen.
    Pitt kniete neben ihm und erklärte: »Willkommen im Land der lebenden Toten.«
    Giordino hob die Hand und berührte Pitts Gesicht in der Dunkelheit.

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