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Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin

Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin

Titel: Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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vor uns zu fürchten. Nicht mehr als vor einer Tafel Vollmilchschokolade jedenfalls.
    In mehreren Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass Psychotherapiepatienten seltener einen Arzt aufsuchen mussten, weniger Krankenhausaufenthalte hatten und dass sie seltener krankgeschrieben wurden. Dieser Effekt hielt auch Jahre nach Beendigung der Therapie noch an.
    Dachten Sie, die Krankenkassen übernehmen die Kosten für Psychotherapie lediglich, weil sie so ein gutes Herz haben? Nee, die können rechnen.
    Gut, ob eine Psychotherapie wirkt, können Sie letzten Endes erst feststellen, wenn es bei Ihnen einmal so weit sein sollte. Aber – woran merkt man eigentlich, dass sie erfolgreich ist?
    Vielleicht merkt man es gar nicht. Wir haben schon Patienten gehabt, die sich am Ende der Behandlung beschwert haben, dass das Ganze ja gar nichts gebracht habe. Wenn man sie dann fragt, wo denn die Symptome geblieben seien, mit denen sie sich ursprünglich herumgeplagt hatten, antworten sie im Brustton der Überzeugung, die seien zwar weg, aber mit der Behandlung habe das bestimmt nichts zu tun.
    Der Irrtum besteht darin, dass viele glauben, die Veränderung müsse über das Bewusstsein laufen, was sie aber oft nicht tut. Für mich besteht der Erfolg einer Psychotherapie nicht in einer Verhaltensänderung, sondern in der Voraussetzung dafür. Sie besteht darin, automatisierte Verhaltens- und Denkschemata aufzubrechen, eigene Vorstellungen zu hinterfragen. Dabei geht es nicht unbedingt um die großen, spektakulären Lebensentscheidungen. Es kann darum gehen, das Grinsen eines Menschen nicht zu erwidern, dessen dämliche Sprüche dem Patienten schon seit zehn Jahren auf die Nerven gehen. Oder ins Theater zu gehen, weil er schon immer einmal ins Theater gehen wollte, obwohl das in seinem Bekanntenkreis keiner tut. Oder dazu zu stehen, dass er gern »Deutschland sucht den Superstar« sieht, auch wenn alle seine Bekannten Arte bei ihrer Fernbedienung auf der Eins liegen haben.
    Das heißt, die Therapie ist dann erfolgreich, wenn die Symptome sich gebessert haben. Wenn der Patient spüren kann, was ihm guttut, weil er wieder Vertrauen zu seinen Instinkten gewonnen hat.
    In einem Lehrbuch für Psychotherapie habe ich vor vielen Jahren einmal gelesen, dass eine Psychotherapie dann beendet ist, wenn der Patient zu sich selbst die Beziehung einnehmen kann, die ihm zuvor der Therapeut angeboten hat. Sprich, wenn er gelernt hat, nicht auf jede gesunde Äußerung von sich selbst so lange mit dem Vorschlaghammer draufzuhauen, bis sie wieder verschwunden ist.
    Mitunter kommen Menschen, die bereits einmal bei mir in Behandlung waren, nach einigen Jahren noch einmal. Beim zweiten Mal warten sie in der Regel nicht so lange mit dem Anruf, weil die Hemmschwelle für sie einfach nicht mehr so hoch ist. Was uns zu der immer mal wieder geäußerten Befürchtung bringt, ob man von einer Psychotherapie oder von einem Psychotherapeuten auch abhängig werden kann.
    Wie Sie inzwischen ja wissen, kann eine Therapie viel Zeit in Anspruch nehmen. Unter Umständen kann sie über Jahre gehen und für den Patienten sehr wichtig sein. Von außen betrachtet, vor allem, wenn man der ganzen Psychotherapiegeschichte misstrauisch gegenübersteht, kann das so aussehen, als sei da jemand von etwas abhängig geworden. Sie wissen jetzt aber auch schon, dass es das Bestreben des Psychotherapeuten sein muss, den Patienten zu heilen, das heißt, ihn wieder in ein Leben ohne seine Begleitung zurückzuschicken. Nicht jedem Patienten erscheint das als verlockende Vorstellung. Jemanden zu haben, der einem immer geduldig zuhört – wo findet man so etwas schon? Natürlich ist es dennoch die Aufgabe des Therapeuten, mit dem Patienten zunächst gemeinsam zu bedauern, wie wenig es davon bisher in dessen Leben gegeben hat.
    Dieser Schritt ist wichtig. Der Patient will erst einmal gehört werden mit dem, was ihm zugestoßen ist oder was er vermisst, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben. Diese Phase kann unterschiedlich lang dauern. Erst danach kann der Patient den Blick auf das Hier und Jetzt richten, wie es so schön heißt, sich von den Schatten der Vergangenheit lösen und in die Gegenwart kommen. In dieser Zeit kann die Therapie für den Patienten eine wichtige Rolle spielen. Und damit auch der Therapeut oder die Therapeutin.
    Was uns gleich zu unserem nächsten Thema bringt. Einem Thema, das in beinahe jedem Film, in dem ein Psychotherapeut vorkommt, durchgenudelt wird. Es geht um

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